Amy Paraskeva, Vikki Patton

24. Mai 2021

Biodiversität im Fokus - Wie die Begrünung von Wohnanlagen uns allen zu Gute kommen kann

Die fehlende Berücksichtigung der biologischen Vielfalt bei aller Art von Planungsverfahren hat über viele Jahrzehnte hinweg zu einem erheblichen Verlust und einer Verschlechterung von Ökosystemen geführt. Grundstücke sind knapp und Bauträger sind hauptsächlich an der Maximierung ihrer Rendite interessiert. So stellt die Überlassung potenziell erschließbaren Flächen zur Verbesserung der biologischen Vielfalt eine wirtschaftliche und logistische Herausforderung dar.

In England wird im Rahmen des National Planning Policy Framework (NPPF) die Förderung der Biodiversität stark gefördert. Sobald die Regierung im Rahmen des neuen Umweltgesetzes (Environment Bill) zur Erneuerung des Raumordnungsgesetzes (Town and Country Planning Act) von 1990 die Verpflichtung zur Verbesserung der Artenvielfalt einführt, wird der Biodiversitäts-Nettogewinn (BNG) in England von einer Idealvorstellung zu einer gesetzlichen Vorschrift werden. Die Bauherren werden dann endlich erkennen, was einige bereits getan haben - nämlich, dass die Einbindung hochwertiger Grünflächen in ihre Projekte nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche und soziale Vorteile mit sich bringt.
Den wahren Wert der biologischen Vielfalt verstehen
Biodiversität bedeutet Artenvielfalt und ist die Vielfalt der Arten, Lebensräume und Ökosysteme auf unserem Planeten. Bis vor kurzem wurde der biologischen Vielfalt oft nur ein intrinsischer Wert beigemessen, d.h. sie galt als ein Wert in sich selbst, jedoch nicht als ein unmittelbarer Wert für die Menschen. Die biologische Vielfalt zu erhalten wurde daher aufgrund der Rolle der Menschheit bei ihrem Rückgang als eine ethische Verpflichtung angesehen.
Diese Ansicht ändert sich jedoch gerade rapide und das Weltwirtschaftsforum hat in diesem Jahr den Verlust der biologischen Vielfalt zu einer der fünf größten Bedrohungen für die Menschheit im kommenden Jahrzehnt deklariert. Denn die biologische Vielfalt bietet uns viele quantifizierbare Nutzen. Die von den Pflanzen, Tieren und vielfältigen ökologischen Merkmalen in unserer Umwelt erbrachten Ökosystemleistungen sind von unschätzbarem Wert, wie z.B. die kühlende Wirkung von Bäumen in Gebieten, die sonst vom städtischen Hitzeinsel-Effekt betroffen sind, die verbesserte Widerstandsfähigkeit gegen Überschwemmungen durch Regengärten und Feuchtgebiete und die saubere, atembare Luft, die von natürlichen Lebensräumen erzeugt wird.
Vielleicht noch überzeugender als diese Vorteile ist die einfache Tatsache, dass die Menschen die Natur genießen. Es ist allgemein bekannt, dass Natur- und Grünflächen sowie Entwicklungen, die den Prinzipien des biophilen Designs folgen (einschließlich Wasserspielen, natürlichen Materialien, Anblick und Geräuschen von Wildtieren, Laub und natürlichem Licht usw.), eine stressreduzierende Wirkung auf die Menschen haben, die diese Räume bewohnen und mit ihnen interagieren.
Manche Menschen glauben, dass der Zugang zu Grünflächen über den Stressabbau hinausgeht - die japanische Praxis des Shirin-yoku (wörtlich übersetzt „Waldbaden“) ist eine Praxis der Entspannung, bei der man die Natur beobachtet und dabei von den Anforderungen des Alltags abschalten kann, was potenziell Gesundheit und Wohlbefinden fördert. Während der Pandemie haben sich viele Menschen mehr denn je ihren Gärten und lokalen Grünflächen zugewandt, um Bewegung und Entspannung zu finden. Leider mangelt es vielen Stadtbewohnern an leicht zugänglichen Grünflächen, wie z.B. Gemeinschaftsgärten, Parks und Flusspromenaden.
Obwohl die Integration von Biodiversität und biophilem Design in Bauvorhaben in der Regel mit höheren Vorlaufkosten verbunden ist, deuten öffentliche Statistiken darauf hin, dass diese höheren Kosten ganz oder teilweise wieder hereingeholt werden können. Eine Studie des Office for National Statistics hat gezeigt, dass Häuser und Wohnungen im Umkreis von 100 Metern von öffentlichen Grünflächen einen höheren Marktwert haben (ein durchschnittlicher Aufschlag von 1,1 % gegenüber Wohnungen, die mehr als 500 Meter von Grünflächen entfernt sind). Darüber hinaus macht die Aussicht auf Grünflächen (wie öffentliche Parks oder Spielfelder) oder Wasser (Flüsse, Kanäle, Seen oder das Meer) die Immobilien mit einem durchschnittlichen Aufschlag von 1,8 % noch wertvoller.
Im März 2021 zeigte der britische Hauspreisindex des Grundbuchamtes, dass der durchschnittliche Preis einer Immobilie in Großbritannien um 10,2 % gestiegen war. Dies ist zum großen Teil darauf zurückzuführen, dass Immobilien mit Zugang zu freier Natur immer begehrter werden. Laut der britischen RICS-Wohnungsumfrage erwarten 83 % der Befragten in den nächsten zwei Jahren eine steigende Nachfrage nach Häusern mit Garten, 79 % nach der Nähe zu Grünflächen und 68 % nach mehr privatem Außenbereich. Es ist also nicht nur wegen der stark gestiegenen Immobilienpreise, dass Wohnungskäufer der Natur den Vorzug vor einer zentralen Lage in dichter bebauten Gebieten geben.
Kulturelle Verschiebungen und Gesetzesänderungen
Die verbindliche Vorgabe eines Nettogewinns an biologischer Vielfalt von 10 %, gemessen an den von der DEFRA veröffentlichten Biodiversitätsmetriken, wird den Best-Practice-Ansatz derjenigen Bauträger belohnen, die sich bereits für Umwelt- und Nachhaltigkeitsziele einsetzen. Das bevorstehende Umweltgesetz wird diese Ziele in den Mittelpunkt des Planungsprozesses stellen, indem es den Abschnitt 90A in das Gesetz über die Stadt- und Landplanung von 1990 (Town and Country Planning Act 1990) mit dem Anhang 7A „Biodiversitätsgewinn in England“ einfügt und die Bauträger dazu verpflichtet, Biodiversitätsgewinnpläne für alle neuen Projekte zu erstellen. Obwohl sich der Weg durch die Ausschüsse dieses Umweltgesetzes durch die Pandemie erheblich verzögert hat - traten einige Seiner Elemente am 1. Januar 2021 zeitgleich mit dem Ende der Übergangszeit des Brexit in Kraft.
Die Projektentwickler werden bei der Umsetzung des Biodiversitäts-Nettogewinns mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert sein. In erster Linie müssen sie ein Gleichgewicht herstellen zwischen den verfügbaren entwicklungsfähigen Flächen, die verlorene biologische Vielfalt ausgleichen und dem Wert, der die Entwicklung rentabel macht. In der Anfangsphase dieser Verpflichtung kann dieses Gleichgewicht erfordern, dass einige Entwickler eine Kompensation außerhalb des Geländes finden und bezahlen müssen, um das Ziel eines Nettozuwachses zu erreichen.
In Zukunft wird die Anforderung an den BNG zu einer gezielteren Standortauswahl führen, wobei der Bedarf an Umweltgewinnen bereits bei der frühzeitigen Due-Diligence-Prüfung für Standortkäufe berücksichtigt werden wird. Doch schon jetzt, während wir noch darauf warten, dass das Umweltgesetz fertiggestellt wird, fordern die lokalen Behörden und gesetzlichen Interessenvertreter die Entwickler bereits auf, im Rahmen des NPPF einen Nettogewinn zu erzielen. Projektentwickler sind daher gut beraten, schon jetzt die biologische Vielfalt in die gegenwärtig in Erwägung gezogenen Entwicklungen einzubeziehen. Dies wird dazu beitragen, die Fähigkeiten, das Wissen und die kommerziellen Instrumente zu entwickeln, um schon vor dem Eintritt der Verpflichtung dazu Biodiversitätsfortschritte zu erzielen.
Nach Inkrafttreten des Umweltgesetzes werden solche Nettogewinne nicht mehr nur den umweltbewusstesten Bauherren vorbehalten sein. Alle Projekte müssen dann ihre Auswirkungen auf die biologische Vielfalt ermitteln, naturbasierte Lösungen maximieren und ihr Biodiversitätsdesign mit ihren wirtschaftlichen Prioritäten in Einklang bringen. Letztendlich werden multifunktionale Grünflächen, die der biologischen Vielfalt Vorrang einräumen, zu einem Schwerpunkt für eine neue Form der Flächenentwicklung werden, die Kommunen, Bürger:innen und Umwelt dient.

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