Elizabeth Krasowski

19. April 2023

Das hohe Risiko von grünem Wasserstoff

Grüner Wasserstoff ist besonders anfällig für Preisschocks bei kritischen Rohstoffen, aber dieses Risiko wird von den Entwicklern weitgehend ausgeblendet. In einem neuen Whitepaper stellt Ramboll Strategien zur Risikominderung vor.

Das hohe Risiko von grünem Wasserstoff

Ursprünglich hatten wir vor, über die steigenden Kosten kritischer Rohstoffe zu berichten, und welche Gefahr diese für den Übergang zu grünem Wasserstoff bedeuten. 

Doch in den zwei Monaten, in denen wir uns dafür intensiv mit den Lieferketten auseinandersetzten, brach der Preis von Kobalt, einem wichtigen Mineral für die Herstellung von Batterien, Elektronik und Elektrolyseuren für grünen Wasserstoff, um 35 Prozent ein. Und auch die Preise von Nickel und Zink, zwei weitere wichtige Mineralien für die Wasserstoffelektrolyse, sind gegenüber dem Vorjahr um 30 bzw. 35 Prozent gesunken.  Während die Risiken in einem Umfeld steigender Preise hoch sind, bieten sich bei fallenden Preisen also zahlreiche Chancen. 

Unsere Ergebnisse zeigen, dass Wasserstoff-Elektrolyseure erstaunlich anfällig für die Preisvolatilität kritischer Mineralien sind. Im Gespräch mit Entwicklern von grünem Wasserstoff stellte sich jedoch heraus, dass überraschend wenige über Strategien verfügen, um die damit verbundenen Risiken zu mindern oder auch Chancen zu nutzen, wenn sie sich bieten. 

Kritische Mineralien im Fokus 

Wasserstoff-Elektrolyseure sind von einer Vielzahl kritischer Mineralien abhängig. Bei jeder Elektrolyseurtechnologie kommt eine andere Kombination von Metallen und unterschiedliche Mengen an bestimmten Mineralien zum Einsatz. Daher ist jede dieser Technologien mit eigenen vorgelagerten Risiken behaftet.

Kritische Mineralien je nach Art der Elektrolyseurtechnologie
 Elektrolyseurtechnologie und Menge der benötigten Mineralien (in kg) pro Megawatt (MW) Elektrolyseurkapazität für eine Elektrolyseanlage (einschließlich Elektrolyse-Stack, System und Ausgleich der Anlage). AE-Elektrolyseure benötigen größere Mengen an relativ gewöhnlichen Metallen wie Nickel. Neuere Technologien wie PEM und SOEC sind auf Metalle wie Kobalt angewiesen, die in geringeren Mengen zum Einsatz kommen, aber deutlich höhere Risiken für die Lieferketten bergen. 

Die aktuell am weitesten verbreitete Elektrolyseurtechnologie, die alkalische Elektrolyse (AE), erfordert große Mengen relativ gängiger Metalle wie Zink, Kupfer und Nickel. Die Lieferkettenrisiken in diesen Märkten haben mit unzureichenden Investitionen in die Erschließung neuer Ressourcen in Verbindung mit einer steigenden Nachfrage in der Energiebranche und anderen Technologiesektoren zu tun.  

Bei neueren Elektrolyseurtechnologien stehen Betriebseigenschaften im Vordergrund, die für die Produktion von grünem Wasserstoff ideal sind. Um diese Leistungsstandards zu erreichen, sind sie jedoch auf seltenere Mineralien angewiesen.  

Elektrolyseure mit Protonen-Austausch-Membran (PEM) nutzen geringe Mengen an Platin und Iridium, zwei der seltensten und teuersten Metalle der Welt. Zum Vergleich: 1 Kilogramm Platingruppenmetalle, die für einen PEM-Elektrolyseur im MW-Maßstab benötigt werden, können mehr kosten als die 10 Tonnen Mineralien und Metalle, die für eine 1-MW-Windkraftanlage an Land erforderlich sind.  

Elektrolyseure mit Festoxidbrennstoffzelle (SOEC) sind hingegen auf das Seltene-Erden-Element Yttrium sowie Kobalt angewiesen. Die Lieferketten für diese Elemente sind stark auf China und die Demokratische Republik Kongo konzentriert, wo bekanntermaßen Menschen- und Arbeitsrechte verletzt werden.  

Grüner Wasserstoff ist besonders anfällig für Mineralienpreise 

Ramboll untersuchte verschiedene Energietechnologien, darunter sowohl fossile Brennstoffe als auch erneuerbare Energien, und stellte fest, dass die AE-Elektrolyse den höchsten Anteil an den Gesamtinvestitionsausgaben (CAPEX) in Verbindung mit den Mineralienkosten hat. 

Grüner Wasserstoff ist kostenmäßig derzeit nicht wettbewerbsfähig mit Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen. Dafür muss er billiger werden. Kurzfristig lässt sich das unter anderem durch eine möglichst billige Beschaffung der Mineralien erreichen. Langfristig werden die Unternehmen die Kosten senken müssen, indem sie Systeme entwickeln, die weniger und kostengünstigere Mineralien nutzen. In jedem Fall wird es aber einen Wettbewerb zwischen Wasserstoff und anderen Technologien der Energiewende um begrenzte kritische Ressourcen geben.   

Gesamt-CAPEX und Mineralienkosten als Prozentsatz des Gesamt-CAPEX ($/KW, 2021) 

Gesamt-CAPEX und Mineralienkosten als Prozentsatz des Gesamt-CAPEX ($/KW, 2021)
Die Kosten kritischer Mineralien, die pro Kilowatt (KW) Kapazität mit verschiedenen Energietechnologien verbraucht werden, und die Kosten kritischer Mineralien als Prozentsatz (%) des Gesamt-CAPEX über Nacht, Stand Januar 2023. Fast 10 % des Gesamt-CAPEX für AE-Elektrolyseure sind an kritische Mineralien gebunden, wodurch diese Technologie von allen untersuchten Technologien am stärksten den Risiken im Zusammenhang mit den Kosten kritischer Mineralien ausgesetzt ist. 
Mineralienrisiken erreichen ihren Höhepunkt während der Durchführung

Wie die meisten Infrastrukturprojekte durchlaufen auch Projekte mit grünem Wasserstoff vier wichtige Phasen:  

  1. Entwicklung und Standortwahl (für die Zwecke dieses Artikels: „Entwicklung“) 
  2. Planung, Beschaffung und Bau („Durchführung“) 
  3. Betrieb und Wartung („Betrieb“) 
  4. Außerbetriebnahme 

Aus Sicht eines unabhängigen Entwicklers von grünem Wasserstoff (der nicht vertikal in die Lieferketten für Stromerzeugung oder Elektrolyseure integriert ist) verschiebt sich die Exposition gegenüber den verschiedenen kritischen Mineralien-Lieferketten im Laufe der Zeit, während das Projekt seine wichtigsten Meilensteine durchläuft. Gleichzeitig verschiebt sich damit das mit der Exposition verbundene Risiko, wie unten dargestellt. 

Risiken in Bezug auf kritische Mineralien werden nie ganz verschwinden 

Risiken in Bezug auf kritische Mineralien werden nie ganz verschwinden

Mit zunehmender Marktreife gehen viele Projekte mit grünem Wasserstoff von der Entwicklungs- in die Durchführungsphase über – die Phase, in der die Projekte am stärksten von Unterbrechungen der Lieferketten für kritische Mineralien bedroht sind. Aus diesem Grund ist ein effektives Risikomanagement in der Lieferkette heute besonders wichtig. 

Wie sich das Risiko der Preisschwankungen mindern lässt 

Preisspitzen und Mineralienknappheit können zu Verzögerungen führen und den Kostenrahmen sprengen.  

Angesichts des hohen Anteils kritischer Mineralien am Gesamt-CAPEX grüner Wasserstofftechnologien (insbesondere AE) kann ein einziges unbeständiges Jahr mit einem Preisanstieg bei einem wichtigen Mineral aus einem ansonsten rentablen Projekt ein Verlustgeschäft machen. Gleichzeitig kann ein ähnliches Projekt, das durch eine umfassendere Risikominderungsstrategie vor dem Schock geschützt ist, rentabel bleiben.

Die gute Nachricht ist, dass es für Wasserstoffentwickler bereits etablierte Strategien zur Absicherung und Umgehung solcher Risiken gibt: 

  • Lernen von anderen grünen Technologien wie EV-Batterien und Windkraft 
  • Fokus auf Transparenz in den Lieferketten, Partnerschaften mit Vorlieferanten und die Kreislaufwirtschaft, um Möglichkeiten zur Absicherung gegen Marktstörungen zu nutzen 

Entwickler, die diese Strategien verfolgen, haben höhere Erfolgschancen, während weniger vorbereitete Konkurrenten Gefahr laufen, in einem zunehmend wettbewerbsintensiven Markt sowohl Zeit als auch Geld zu verlieren. 

Bei Fragen oder Anregungen wenden Sie sich an den Verfasser dieses Artikels, Anders Brønd Christensen Content Advisor bei Ramboll.

Was sind kritische Mineralien?

Kritische Mineralien sind eine Kategorie von Elementen, die von strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung sind, wie zum Beispiel Zink, Platin und Nickel. Sie kommen aktuell vor allem in Technologien für erneuerbare Energien zum Einsatz. Viele dieser Mineralien haben Lieferketten, die anfällig für Störungen sind, etwa Seltene Erden, die fast ausschließlich in China gefördert werden.

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  • Sasha Wedekind

    Senior Manager, Energy Transition Management Consulting

    Sasha Wedekind