Paul Astle

8. November 2021

1 Million Tonnen CO2 einsparen

Die Weltklimakonferenz COP26 hat uns daran erinnert, wie wichitg es ist, CO2 zu reduzieren. Wir glauben, dass es möglich ist, jährlich bis zu 1 Million Tonnen CO2e im britischen Bausektor einzusparen, wenn wir unsere Denkweise ändern.

Während der Bausektor bei der Reduzierung der betrieblichen CO2-Emissionen erhebliche Fortschritte gemacht hat, müssen wir uns nun auf die Herausforderung konzentrieren, den eingeschlossenen Kohlenstoff zu verringern. Durch ein Umdenken bei einigen der kohlenstoffintensivsten Elementen eines Gebäudes könnten jährlich bis zu 1 Million Tonnen CO2e im britischen Bausektor eingesprt werden. Das entspricht der jährlichen CO2-Aufnahme von 40 Millionen Bäumen.

Unser Ansatz

Der Begriff „embodied carbon“ bezeichnet das globale Erwärmungspotenzial (GWP), gemessen in äquivalenten Kohlendioxidemissionen (CO2e), das allen Materialien und Prozessen zugeschrieben wird, die in die Materialien und Komponenten eines Projekts einfließen.

Bei einer vollständigen Lebenszyklusbewertung (LCA) berücksichtigen wir sowohl den im voraus gebundenen Kohlenstoff, der in allen Materialien und Komponenten bis zur praktischen Fertigstellung des Bauwerks enthalten ist, als auch den während der Nutzung gebundenen Kohlenstoff, der mit dem Austausch und der Wartung verbunden ist, sowie den durch den Betrieb bedingten Kohlenstoff.

Ganzheitliche Lebenszyklusbewertungen sind der Schlüssel zu holistischen Lösungen. In einer Gebäudestruktur ist der im Vorfeld eingeschlossene Kohlenstoff im Allgemeinen die wichtigste Komponente, auf die man sich konzentrieren sollte.

Der Einsatz von Beton verursacht allein in Großbritannien 4,5 Millionen Tonnen CO2e

Bei einem typischen Gebäude entfällt der größte Teil des im voraus gebundenen Kohlenstoffs auf die Gebäudestruktur und macht in der Regel 50 bis 70% der Gesamtemissionen aus. Auch wenn die Bautechnologie enorme Fortschritte gemacht hat, bestehen fast alle Gebäude immer noch aus Beton oder Stahl und nur in geringerem Maße aus Mauerwerk und Holz. Es ist schwer, ein Gebäude zu finden, das keinen Beton verwendet, zumindest nicht in den Fundamenten.

Beton ist das meistverwendete Baumaterial der Welt. In Großbritannien werden jährlich schätzungsweise fast 36 Millionen Tonnen Beton verbaut(1). Dies entspricht 4,5 Millionen Tonnen CO2e, etwa 1% der gesamten Kohlenstoffemissionen des Vereinigten Königreichs(2).

Dreistufiger Ansatz für den Umgang mit Kohlenstoff in Bauwerken

Beton in Bauwerken stellt für uns eine große Chance dar, den gebundenen Kohlenstoff zu reduzieren. Bei Ramboll haben wir einen dreistufigen Ansatz entwickelt, um den Kohlenstoffgehalt von Bauwerken in Großbritannien zu reduzieren:

1. Die Anforderungen in Frage stellen: Beim Hinterfragen der Anforderungen geht es darum, die Gebäudestruktur zu prüfen und sicherzustellen, dass wir alle Möglichkeiten zur Reduzierung des Materialverbrauchs ausnutzen. Bei Betonkonstruktionen kann dies einen enormen Unterschied ausmachen. Es könnte zum Beispiel ein effizienteres Raster gefunden werden, um die Lasten zu reduzieren oder die Art der Fassadenabstützung zu ändern. Die Verkleinerung des Baurasters von 9 x 9 auf 8 x 8 m kann beispielsweise 15% CO2e/m2 pro Rasterfläche einsparen.

2. Das Design verfeinern: Wenn sichergestellt ist, dass unser Entwurf die Bedürfnisse des Kunden ohne unbeabsichtigte kohlenstoffintensive Anforderungen erfüllt, können wir uns auf die Details des Designs konzentrieren. Durch eine genauere Analyse, sorgfältige Anwendung der bestehenden Vorschriften und die Annäherung an die strukturellen Grenzen können wir weitere Einsparungen erzielen. Eine strenge Anwendung der Vorschriften allein kann die Lasten um 5 - 10% reduzieren.

3. CO2 reduzieren Schließlich stellen wir sicher, dass unsere Materialspezifikationen so optimiert sind, dass sie den technischen Anforderungen entsprechen und gleichzeitig den CO2-Gehalt minimieren. Für Beton muss in einem aktiven Prozess die Struktur überprüft werden, um alle Möglichkeiten zur Reduzierung des CO2-Gehalts in jedem einzelnen Element und jeder Betonmischung zu identifizieren.

Die CO2-Reduzierung im Beton anstreben

Die Reduzierung von CO2 im Beton erfordert ein detailliertes Verständnis seiner Inhaltsstoffe, und wie wir ihn veredeln können, um die Emissionen zu reduzieren. Unseren Schätzungen zufolge könnte allein der britische Bausektor mit diesem Ansatz eine Million Tonnen CO2e jährlich einsparen.

Wenn es um die CO2-Reduzierung geht, muss Zement im Fokus stehen. Zement ist der aktive Bestandteil des Betons und macht in der Regel 12% seines Gewichts aus. Er ist aber für bis zu 85 % des gebundenen Kohlenstoffs verantwortlich.

Bei der Festlegung der Zementmenge im Beton geht es Ingenieur:innen hauptsächlich um seine Festigkeit und Haltbarkeit. In der Regel geben die Ingenieur:innen jedoch einen Mindestzementgehalt vor, während die endgültige Mischung vom Bauunternehmen und seinen Zulieferern festgelegt wird.

Das Bauunternehmen muss Beton liefern, der die Anforderungen der Ingenieurr:innen bezüglich der Haltbarkeit und Festigkeit erfüllt. Darüberhinaus bezieht er weitere Eigenschaften des Betons ein, wie zum Beispiel die Konsistenz bzw. das Fließverhalten des Betons und wie schnell dieser fest wird.

Diese Anforderungen können den Zementgehalt erheblich über das Minimum hinaus erhöhen, das für die notwendige Festigkeit allein erforderlich wäre. Aus diesem Grund kommt es vor, dass ein mehr als 50% höherer Zementgehalt verwendet wird, als die technischen Vorgaben verlangen.

CO2 im Zement reduzieren

Es gibt viele verschiedene Zementsorten und -mischungen. Der gebräuchlichste Zement wird Portlandzement oder CEMI genannt. Er wird durch Zerkleinern von Kalkstein und Ton, Erhitzen auf 1450 Grad und Zermahlen zu feinem Pulver hergestellt.

Durch dieses Verfahren wird die chemische Struktur des Kalksteins verändert. Das Ergebnis ist ein reaktives Material, das nach Vermischen mit Wasser eine starke und stabile Matrix bildet und die Zuschlagstoffe im Beton zusammenhält. Dieser Produktionsprozess ist sehr kohlenstoffintensiv: Für jede Tonne Portlandzement fallen etwa 860 kg eCO2(3) an.

Reiner CEMI-Beton wird jedoch nur selten verwendet. Meistens wird er mit anderen zementhaltigen Materialien (SCM) gemischt. Das sind in der Regel Abfallprodukte aus anderen Bereichen. Diese SCM bieten unterschiedliche Grade an Reaktivität und verändern die Betoneigenschaften im Frisch- und Endzustand. Da die meisten SCM weit weniger kohlenstoffintensiv als Portlandzement sind, bieten sie uns eine einfache Möglichkeit, den Kohlenstoff im Zement zu reduzieren.

Bis zu 80% des Portlandzements können nach den geltenden technischen Vorschriften durch SCM ersetzt werden, auch wenn dies nicht immer sinnvoll ist. Die beiden gängigsten SCM sind gemahlenes Schlackengranulat (GGBS) und Flugasche (FA), die in Stahlhochöfen bzw. Kohlekraftwerken produziert werden.

Das Potenzial dieser SCM ist also dadurch begrenzt, dass wir auch die Kohlenstoffintensität ihrer Produktion berücksichtigen müssen. Darüber hinaus gibt es nicht genug GGBS und FA auf dem Markt, um diesen Beitrag zu leisten, so dass die Bauindustrie rasch nach alternativen SCM suchen muss.

Es gibt außerdem neue Zementarten, die mit unterschiedlichen Materialien sowie Verfahren hergestellt werden und als Bindemittel unterschiedlich reagieren. Es gibt sogar Zemente, die Kohlendioxid als Reaktionsmittel verwenden und beim Aushärten Kohlenstoff einbinden.

Diese Alternativen bieten vielversprechende Zukunftsmöglichkeiten, auch wenn noch viel Arbeit zu leisten ist, bevor sie kommerziell nutzbar sind und in großem Maßstab eingesetzt werden können. Wir müssen jetzt diese Technologien unterstützen, indem wir ihnen risikoarme Einsatzmöglichkeiten bieten, um die Entwicklung von Wissen und Erfahrung im Umgang mit ihnen zu fördern.

Eine praktische Anwendung: Das UCL-Institut für Neurologie

Bei Fertigstellung im Jahr 2024 wird das UCL-Institut für Neurologie und Demenzforschung eine Forschungseinrichtung von Weltrang sein. Dieses 17.000 m2 große Gebäude im Zentrum von London wird modernste Forschungs- und Bildgebungseinrichtungen beherbergen. Ramboll hat einen In-Situ-Betonrahmen entworfen, der die erforderliche Schwingungsbeständigkeit und Flexibilität bietet, um den Erfordernissen der in diesem Gebäude vorgesehenen hochkomplexen Forschung gerecht zu werden.

Durch die Anwendung unseres dreistufigen Ansatzes und die enge Zusammenarbeit mit dem Bauunternehmen und seinen Subunternehmern konnte Ramboll eine Reihe von Maßnahmen einbeziehen, die zu einer erheblichen Verringerung der Kohlenstoffintensität des Kohlenstoffrahmens im Vergleich zu typischen Branchenwerten führen werden.

Ergriffene Maßnahmen zur CO2-Reduzierung:
  • Konstruktion einer gewölbten Decke für einen Teil des Hauptbürobereichs, die den Beton unter Druck hält und weniger Zement und Stahl verbraucht als eine vergleichbare Lösung mit flachen Platten.
  • Verwendung von Nachspannlösungen, wo dies möglich ist.
  • Dem Beton im Unterbau wird mehr Zeit zum Aushärten gegeben - und damit der Zementbedarf gesenkt.
  • Verwendung großer Mengen an Zementersatzstoffen, insbesondere in den Fundamenten, mit einem Anteil von 25% am Beton.
  • Zusammenarbeit mit dem Bauunternehmen und dem Lieferanten, um den Gesamtanteil an Zement durch eine schnelle Verarbeitung zu verringern.
  • Untersuchen von Möglichkeiten, Zementersatzstoffe zu testen, die normalerweise nicht im Flachdeckenbau verwendet werden.
  • Wir untersuchen außerdem, ob wir neuartige Betonsorten in unkritischen Bereichen des Außenbereichs verwenden können, wie z.B. bei der Pflasterung von Außenanlagen und befestigten Flächen.

Dieses Maßnahmenpaket wird zu einer gewichteten durchschnittlichen Kohlenstoffintensität von 97 kg eCO2/t führen, was einer Senkung um 23% gegenüber herkömmlichem Beton entspricht. Insgesamt bedeutet dies eine Einsparung von 490 Tonnen Kohlenstoff. Das ist so viel, wie wenn man 400 Autos ein Jahr lang von der Straße nehmen würde.

Um 1 Million Tonnen CO2 einzusparen, müssen wir den Ansatz flächendeckend anwenden

Dieses Projekt zeigt, dass es mit einem systematischen Ansatz möglich ist, den gebundenen Kohlenstoff in Baubeton erheblich zu reduzieren. Wenn es uns gelingt, die herkömmliche Kohlenstoffintensität aller Neubauten in Großbritannien um einen ähnlichen Anteil zu senken, können wir die CO2-Emissionen schätzungsweise um mehr als 1 Million Tonnen pro Jahr reduzieren.

In Richtung Netto-Null

Wir verfügen bereits über die Technologie und das Fachwissen, um den gebundenen Kohlenstoff in Baubeton erheblich zu reduzieren - aber es bedarf einer systematischen Identifizierung möglicher Einsparungen und eines gezielten gemeinsamen Ansatzes, um diese CO2-Reduzierung wirklich zu maximieren.

Dies allein wird uns zwar nicht die Netto-Null liefern, aber einen bedeutenden Beitrag dazu leisten und, was wichtig ist, die Prozesse etablieren, mit denen wir die nächsten Schritte identifizieren und zukünftige Technologien erschließen können.

Referenzmaterial

  1. Berechnung des Betonvolumens auf der Grundlage der Zementschätzungen in Shanks et al. mit einem Zementgehalt von 12%.
  2. Unter der Annahme von 126 kg eCO2/Tonne. Kohlenstoffdaten der britischen Regierung für 2018.
  3. Vorhersage auf der Grundlage der Beton-Spezifikation und Gesprächen mit dem Subunternehmer. Ohne Verstärkung.

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  • Paul Astle

    Decarbonisation Lead

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