Carlos Bernuy-Lopez und Pierre Michel Lehmann
16. November 2023
Die Zukunft ist grün: 100 Millionen Tonnen Wasserstoff für eine nachhaltige Energiewirtschaft
Fast der gesamte heute verwendete Wasserstoff wird aus fossilen Brennstoffen gewonnen. Dies führt zu jährlichen CO2-Emissionen, die in etwa denen Japans entsprechen. Was muss also passieren, damit die Welt schnellstmöglich den Umstieg auf grünen Wasserstoff schafft?
100 Millionen Tonnen grüner Wasserstoff. 1 000 Gigawatt Elektrolysekapazität. Und mindestens 1 000 Elektrolyseure.
Das ist, was es laut Carlos Bernuy-Lopez, Senior Consultant bei Ramboll, braucht, um den nachhaltigen Wandel in der Energiewirtschaft zu realisieren. Die Produktion von grünem Wasserstoff von heute etwa 0,3 Millionen Tonnen auf 100 Millionen Tonnen müsse „so schnell wie möglich‟ passieren.
Bereits heute verbrauchen wir etwa 90 Millionen Tonnen, derzeit noch fossilen Wasserstoff, pro Jahr. Schätzungen gehen davon aus, dass wir im Jahr 2050 bis zu 500 Millionen Tonnen Wasserstoff brauchen werden - und dieser soll aus erneuerbaren Energien stammen. Wir reden viel darüber, wer Wasserstoff in der Zukunft nutzen wird, aber zumindest kurzfristig werden die wahrscheinlichsten Abnehmer diejenigen sein, die heute schon Wasserstoff nutzen, also die Industrie vor allem, Transport und, allerdings in geringem Maße, auch private Haushalte.
Schauen wir uns die derzeitige Nachfrage an, stellt sich die Frage, was geschehen muss, damit genügend grüner Wasserstoff produziert wird, um den grauen und blauen zu ersetzen, der derzeit aus fossilen Brennstoffen hergestellt wird.
Um dies zu ermöglichen, müssen nach Carlos' und Pierres' Ansicht drei entscheidende Faktoren zusammenspielen:
- Ein massiver Ausbau der Fabrikkapazitäten und der Infrastruktur, die grünen Strom erzeugt, den Wasserstoff verteilt, speichert und umwandelt.
- ausreichende und kostengünstige erneuerbare Energien und
- die Bereitschaft von Investoren, hier zu investieren
Laut der beiden Experten kann es ohne Skalierung der Elektrolyseure nicht genügend grünen Wasserstoff geben.
Benötigt würden etwa 1.000 Fabriken, die Elektrolyseure mit einer Kapazität von jeweils 1 GW herstellen. Derzeit liegt die jährliche Produktionskapazität für Elektrolyseure weltweit nur zwischen 2 und 5 GW. Das sind überwältigende Zahlen. Jedoch sollte man sich davon nicht abschrecken lassen, denn auch in anderen Bereichen hat man es, wie die jüngste Vergangenheit zeigt, mit Engagement, Anreizen und gezielten Investitionen geschafft.
Dazu ist es laut Pierre auch notwendig, dass man sich auf eine „short list“ an Technologien einigt, zum Beispiel die PEM (proton exchange membrane electrolysis) oder AEL (alkaline electrolysis).
“Um grünen Wasserstoff konkurrenzfähig machen zu können, braucht es verlässliche Investitionen und Abnahmevereinbarungen aus der Industrie, die solche Investitionen sicherer machen. Nur solche Wasserstoffprojekte, die eine hohe Rendite bieten, werden attraktiv für Investoren sein. Dazu ist entscheidend, dass der Elektrolyseur in der Nähe eines Abnehmers mit hoher Nachfrage angesiedelt ist oder aber der Erdgaspreis höher ist und sich somit die Kostendifferenz zu Wasserstoff verringert.”
Ein gutes Beispiel ist hier die Batterieproduktion für Elektrofahrzeuge. Auch hier hatte man einst einen Kapazitätsmangel, und auch hier hat die große Nachfrage nach Elektrofahrzeugen einen enormen Anstieg der Investitionen erzeugt. „Vor zehn Jahren gab es in Europa keine einzige große Batteriefabrik. In zehn Jahren jedoch haben wir wahrscheinlich zehn bis 15. Wenn wir dasselbe innerhalb der nächsten zehn Jahre auch für die Wasserstoffproduktion schaffen, wäre das schon mal nicht schlecht,‟ sagt Carlos.
Geht man von durchschnittlichen Kosten in Höhe von etwa 2,8 Mrd. EUR für den Bau einer 1-GW-Fabrik aus, würden sich die Ausweitung der Elektrolyseur-Kapazität auf Investitionen in Höhe von 2,8 Billionen EUR belaufen.
Die Kosten einer Ausweitung der gesamten weltweiten Wasserstoffproduktion auf 100 Millionen Tonnen hat noch niemand beziffert, aber man kann davon ausgehen, dass es sich um Beträge im Billionen Dollar Bereich handeln wird. Wir kann eine solche Investition in die Technologie maximal attraktiv werden für Investoren?
Nach Meinung der Autoren braucht es nicht nur gesetzliche Regelungen, politische Anreize und Maßnahmen. Man muss den Investoren auch aufzeigen, dass Investitionen in Wasserstoff eine große Chance sind. Natürlich ist so eine Investition in neue Technologien riskant, doch welche Investition mit potenziell hohen Renditen ist das nicht?
Es müssen nur die richtigen Modelle entwickelt werden, bei denen die Risiken gleichmäßiger auf die Marktteilnehmer verteilt werden.
Grüner Wasserstoff wird auch mit anderen Zukunftstechnologien um Investitionen konkurrieren. Deshalb ist es wichtig, dass Wasserstoffprojekte optimale Investitionsrenditen bieten. Dies ist meist gewährleistet, wenn der Elektrolyseur in der Nähe eines Abnehmers mit hoher Nachfrage angesiedelt ist oder wenn der Erdgaspreis höher ist und sich die Kostendifferenz zu Wasserstoff verringert.
Anfangs wird es vielleicht schwierig sein, mit Erdgas preislich zu konkurrieren, jedoch kann man mit Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit argumentieren. Ein fixer Preis über einen Zeithorizont von 20 Jahren wird für einige Investoren attraktiv sein, um nicht von schwankenden Erdgaspreisen abhängig zu sein.
Wie bei jeder neuen Technologie gibt es auch hier Herausforderungen, die wir überwinden müssen. Wir sehen aber auch, dass die Technologien durch Weiterentwicklung kostengünstiger werden. Und die gute Nachricht ist: Im Wasserstoffbereich braucht es keine großen Technologiesprünge mehr.
Laut Carlos und Pierre müssen wir uns Ziele setzen, die zwar ambitioniert, aber realistisch sind. „Die Produktion von 100 Millionen Tonnen grünem Wasserstoff ist - bei einen angenommenen Importvolumen von 70% und einer Produktion im Inland von 30% - definitiv machbar‟, sagt Pierre. Doch natürlich geht das nicht von heute auf morgen. Hierzulande wird ein starker Fokus auf den Import von Wasserstoff gelegt werden, jedoch gibt es schöne Beispiele, wie auch im Inland Synergien genutzt werden können, um die heimische Produktion zu steigern. In Hamm in Nordrhein-Westfalen planen unsere Expert:innen derzeit eine 20 MW Elektrolyseanlage. Dank der guten Kommunikation und erfolgreichen Zusammenarbeit von Entwicklern und Energieversorgern in der Region kann die Anlage im Optimalfall bereits in 2025 bei Vollast ca. 1.500 t grünen Wasserstoff produzieren. Lesen Sie hier mehr zu diesem visionären Projekt: Impuls für die Energiewende: Ramboll wird Generalplaner für 20 MW Elektrolyseanlage
Damit Wasserstoff als Energieträger wettbewerbsfähig sein kann, braucht es zudem einen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Voraussetzung für genügend grünen Strom für die Umwandlung von Elektronen zu Wasserstoff, der Elektrolyse.
Um auf das Ziel von 100 Millionen Tonnen grünem Wasserstoff zu kommen werden 2 000 bis 3 000 GW Strom aus erneuerbaren Energie benötigt - eine astronomische Zahl, wenn man bedenkt, dass die weltweite Kapazität an erneuerbaren Energien laut IRENA heute bei 3 372 GW liegt.
„Damit grüner Wasserstoff in großem Stil nutzbar gemacht werden kann, muss Strom aus erneuerbaren Energiequellen günstig und jederzeit verfügbar sein. Derzeit sind bis zu 80 % der Kosten für die Wasserstofferzeugung auf Stromkosten zurückzuführen. Nur wenn der Umstieg auf grünen Wasserstoff sich auch wirtschaftlich rechnet, ist das ein Anreiz für die Industrie, ihre Produktion zu dekarbonisieren.‟
Kontakt
Pierre Lehmann
Head of Hydrogen Projects and Power to X
+49 1525 3210429
Carlos Bernuy-Lopez
Senior Consultant
46 (0)73-851 06 83