Grace Cook

11. Juli 2022

Steigender Druck und bessere Wirtschaftlichkeit bringen den Übergang zur Kreislaufwirtschaft voran

Überall auf der Welt steigt die Zahl der Unternehmen, die auf das Kreislaufprinzip setzen. Aber nur an wenigen Orten ist die Notwendigkeit zur Veränderung so offensichtlich wie in den USA. Unsere Expertin Grace Cook betrachtet das wirtschaftliche Konzept hinter dem Kreislaufprinzip aus US-amerikanischer Perspektive.

Boston downtown financial district and city skyline
Von Grace Cook
In den USA ist die Wirtschaft mit der gleichen Ressourcenknappheit konfrontiert wie in anderen Ländern, aber das Verbrauchsniveau liegt deutlich höher. Aufgrund dieser Diskrepanz werden Amerikaner:innen – Unternehmen genauso wie Verbraucher:innen – die Auswirkungen von Lieferunterbrechungen deutlich empfindlicher zu spüren bekommen, wenn die Geschäftsmodelle nicht auf einen geringeren Ressourcenverbrauch umgestellt werden.
Als sich die Lieferkettenprobleme in der jüngeren Vergangenheit durch die Pandemie und die „Just-in-Time“-Fertigung noch verschärften, wurde dies bereits sichtbar. Das altbekannte System, Ressourcen zu entnehmen, Produkte herzustellen, sie zu verbrauchen und wegzuwerfen, lässt die Ressourcen schnell schwinden und verursacht immense Abfallmengen.
Business-as-usual ist nicht zielführend
Wendet man die Gesetze von Angebot und Nachfrage an, befinden sich die Amerikaner:innen in einer klaren ökologischen Mangelsituation: Wir verbrauchen Ressourcen schneller als wir sie auffüllen oder den mit ihrer Nutzung verbundenen Abfall verwerten können. Dies ist offenkundig nicht nachhaltig.
Die Daten des Global Footprint Network zeigen, dass wir jedes Jahr die Ressourcen von fünf Planeten bräuchten, wenn alle Bewohner:innen der Welt so leben würden wie in den USA. Auf Länder mit einem ökologischen Defizit werden mit Sicherheit verstärkte Produktknappheit und höhere Preise zukommen, wenn die Ressourcen knapper werden.
Nach Angaben der Vereinten Nationen ist die Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen, Brennstoffen und Nahrungsmitteln für die Hälfte der globalen Treibhausgasemissionen und für mehr als 90 Prozent des Biodiversitätsverlusts und des Wassermangels verantwortlich. Zudem haben die Regulierungsbehörden allmählich begonnen zu verstehen, dass uns nicht die Ressourcen mehrerer Planeten zur Verfügung stehen, und der Regulierungsrahmen zu diesem Thema entwickelt sich in sehr raschem Tempo von der Theorie zur Praxis.
Es mag stimmen, dass mit einem First-Mover-Vorteil unweigerlich auch einige Risiken durch potenzielle Unsicherheiten verbunden sind, aber sicher ist, dass eine Fortsetzung von „Business-as-usual“ nicht klug ist. Um die Risiken zu steuern, müssen die Unternehmen bewusst entscheiden, welche kreislaufwirtschaftlichen Konzepte am besten zu ihren Geschäftsmodellen passen und wann sie eingeführt werden sollen.
Es gibt einen alternativen Weg
Bei dem Versuch, die Kreislaufwirtschaft zu erklären, werden oft die nostalgischen Bilder von Milchkannen aus Glas oder Pfand-Limonadenflaschen bemüht. Sie bieten ein leicht verständliches Beispiel für einen geschlossenen Verpackungskreislauf, bei dem kein Abfall erzeugt wird – und viele moderne Branchen machen von Modellen dieser Art Gebrauch. Neben wiederverwendbaren Verpackungen gibt es zahlreiche Beispiele neuer kreislaufwirtschaftlicher Geschäftsmodelle, vom Bikesharing bis zum Smartphone-Leasing.
Bei diesen beiden Beispielen wird vermieden, dass einzelne Verbraucher:innen ressourcenintensive Artikel wie Fahrräder oder Telefone besitzen, instand halten und vor allem ordnungsgemäß entsorgen müssen. Stattdessen gibt es ein Unternehmen, dass sich um Reparatur, Austausch, Aufarbeitung und schließlich Recycling dieser Produkte kümmert und damit sein Geld verdient.
Abgesehen von neuen kreislaufwirtschaftlichen Geschäftsmodellen wird es notwendig sein, Materialien mit gleichen oder verbesserten physischen Eigenschaften effizienter einzusetzen. Es gibt bereits erste Beispiele für nachhaltige Materialien. Die Kreislaufwirtschaft entkoppelt Wirtschaftswachstum vom Aufzehren von Ressourcen und bietet Unternehmen neue Geschäftsmöglichkeiten.
Es ist an der Zeit, dass Sie Ihr Geschäft schützen
Die Geschäftsmöglichkeit beinhaltet die Einhaltung der Bestimmungen, die Besänftigung der Anleger:innen und die Befriedigung der Nachfrage der bisherigen Kund:innen, erschöpft sich aber nicht darin. Der Übergang zu geschlossenen Materialkreisläufen oder erneuerbaren Alternativen kann die Resilienz, Liefersicherheit und Preisstabilität von Ausgangsmaterialien verbessern.
Der Übergang von herkömmlichen Modellen zu Products-as-a-Service kann die Kundenbindung durch den Aufbau langfristiger Beziehungen steigern. Unternehmen, die Reparierbarkeit für sich entdecken und Anreize zur Rücknahme von Produkten schaffen, können Umsätze aus Reparaturdienstleistungen, der Aufbereitung von Waren oder dem ordnungsgemäßen Recycling bzw. Upcycling von Rohstoffen erzielen. Mit der Akzeptanz von Kreislaufkonzepten können die bestehende Geschäftstätigkeit ausgebaut, externe Risiken vermieden und neue Produkt- und Kundensegmente erschlossen werden.
Äußere Zwänge beschleunigen den Übergang zur Kreislaufwirtschaft
Viele Unternehmen reagieren auf äußere Zwänge und betreiben den Übergang mit hoher Dringlichkeit. Für diese Zwänge gibt es mehrere Beispiele, wir wollen uns aber hier auf zwei wesentliche Faktoren beschränken:
Vorschriften der EU: Die EU hat die Sustainable Products Initiative auf den Weg gebracht, die einen digitalen Produktpass vorsieht, mit dem den Verbraucher:innen am Verkaufsort Umweltinformationen zu Produkten mitgeteilt werden, die einen Vergleich ermöglichen. In den jüngsten Verlautbarungen zur Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen heißt es, dass Unternehmen gegenüber externen Stakeholdern und Anleger:innen Kennzahlen in Bezug auf ihren Plan für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft vorlegen werden müssen – neben anderen Nachhaltigkeitskennzahlen, die durch die EU-Taxonomie vorgegeben sind. Zu den geplanten Berichtsanforderungen gehört der Anteil von Materialien in den Primärprodukten und -dienstleistungen, die wiederverwendet, recyclingfähig und erneuerbar sind.
Kundennachfrage: Da wir in einer globalisierten Wirtschaft leben, bekommen selbst nicht börsennotierte Firmen in den USA zu spüren, dass sie es mit einem breiteren Kundenstamm zu tun haben, der seine eigenen Ziele in Bezug auf die Kreislaufwirtschaft hat. Um ihre Ziele erfüllen zu können, brauchen die Kund:innen Lieferant:innen, die an ihre eigene Nachhaltigkeitsstrategie angepasst sind, was eine Steigerung von recycelten oder erneuerbaren Elementen, verbesserte Reparierbarkeit oder Verringerung von Abfall erforderlich machen kann.
Der Weg in die Zukunft erfordert eine fokussierte, individuelle Strategie
Damit Ihr Unternehmen angesichts sich rasch verändernder Märkte und regulatorischer Rahmenbedingungen bestehen kann, muss ermittelt werden, wie kreislaufwirtschaftliche Prinzipien in den bestehenden Betrieb eingebunden werden können.
Angesichts der Breite des Themas Kreislaufwirtschaft und des zunehmenden Drucks sind Kund:innen häufig unsicher, wo sie anfangen sollen. Sie verstehen, dass sie etwas tun müssen, suchen aber nach einem Blick von außen um entscheiden zu können, worauf sie sich konzentrieren sollen und welche konkreten Maßnahmen nötig sind, um die Veränderungen umzusetzen. Eine erste Projektphase kann wie folgt aussehen:
  • eine Prüfung des regulatorischen Rahmens, bei der die drängendsten Anforderungen ermittelt werden, die die Kund:innen in wichtigen Regionen betreffen
  • ein Vergleich mit Wettbewerber:innen, um ein Bild von der Bilanz der Kund:innen bei bestimmten kreislaufwirtschaftlichen Parametern verglichen mit dem Rest der Branche zu erhalten
  • eine Einschätzung, welche kreislaufwirtschaftlichen Themen den bestehenden und potenziellen Kund:innen am wichtigsten sind
  • eine Erfassung der internen Stakeholder um sicherzustellen, dass die Kreislaufwirtschaftsstrategie mit der Unternehmensstrategie insgesamt abgestimmt ist.
Diese Informationen werden im Rahmen einer Wesentlichkeitsbeurteilung verdichtet, die Prioritäten setzt, worauf sich ein Unternehmen konzentrieren sollte, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen. Diese Bewertungen geben Aufschluss darüber, was das Unternehmen unverzüglich tun muss, warum das so ist (bevorstehende Rechtsvorschriften, Kundennachfrage etc.), und bieten die Grundlage für eine Roadmap mit einer Beschreibung, wie diese neuen Ziele erreicht werden können.
Wie der Übergang zur Kreislaufwirtschaft aussieht und wie schnell er voranschreitet, wird sich von Branche zu Branche unterscheiden, aber das Konzept, zunächst das Umfeld zu bewerten, dann die Prioritäten zu setzen und zum Schluss die Umsetzung individuell anzupassen, wird die Unternehmen auf den richtigen Weg bringen, um zum gewünschten Ergebnis in Form eines regelkonformen, profitablen und widerstandsfähigen Unternehmens zu gelangen.
Über die Autorin
Grace Cook ist leitende Beraterin bei Ramboll Management Consulting in den USA. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist der Übergang zur Kreislaufwirtschaft. Sie entwickelt Lösungen für Unternehmen von der Wesentlichkeitsbewertung und Zieldefinition bis zur Umsetzung und dem Änderungsmanagement. Sie bindet Kreislaufprinzipien in den gesamten Produktlebenszyklus und die komplette Wertschöpfungskette ein, um Kund:innen bei der Beschleunigung des Übergangs zu unterstützen.

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