Patrick Gilly, Per Jørgensen

26. April 2022

Welchen Einfluss haben die steigenden Energiepreise auf die grüne Energiewende?

In diesem Artikel gehen wir der Frage nach, was die Ursache für den beispiellosen Anstieg der Kosten für Öl, Gas und andere fossile Brennstoffe im letzten Jahr ist und was nötig ist, um die Investitionen in erneuerbare Energien zu beschleunigen.

Solar energy panels on a field with a wind turbine in the background
Die Energiepolitik beherrscht wieder die Schlagzeilen der Zeitungen - zusammen mit dem anhaltenden Krieg in der Ukraine. Aber die derzeitige Marktvolatilität ist per se nicht neu.
In Deutschland haben sich die Durchschnittskosten für Strom zwischen 2020 und 2021 laut Bloomberg fast verdreifacht. In der skandinavischen Ländern sind die Preise im gleichen Zeitraum um 470% gestiegen, so dass die Energiepolitik dort ganz oben auf der politischen Agenda steht.
Die Staats- und Regierungschefs der EU und USA haben mehr Investitionen in erneuerbare Energien angekündigt, um ihre Energieabhängigkeit von Russland zu verringern. Doch ist es noch immer fraglich, ob höhere Preise für fossile Brennstoffe allein zu mehr Investitionen in erneuerbare Energien führen.
Die kurze Antwort von Per Jørgensen, Leiter der Gasinfrastruktur bei Ramboll, lautet „nicht unbedingt“.
„Die höheren Preise wirken sich nicht zwangsläufig positiv auf den Ausbau erneuerbarer Energien aus, und schon gar auf das Klima“, erklärt er. „Weil Gas teurer geworden ist, wurde im Jahr 2021 teilweise wieder auf Kohle als Stromquelle gesetzt. Und weil Kohle umweltschädlicher ist, haben die CO2-Emissionen zugenommen“.
„Es ist schwer zu sagen, ob die hohen Energiepreise bestimmte Investoren abschrecken werden; aber es könnte sein, dass sie andere anziehen werden“, fügt er hinzu.
An overview of energy prices in the EU from from 2018-2022, denoting the annual rate of change. In January 2021, the annual rate of change was above 25%
Fünf Gründe für den Anstieg der Energiepreise
Um die Wechselwirkung zwischen den Energiepreisen und einer nachhaltigen Transformation in diesem Bereich zu verstehen, müssen wir untersuchen, warum die Energiepreise so stark gestiegen sind. Laut Per Jørgensen gibt es fünf Hauptgründe für diesen Anstieg:
  1. Die Pandemie ließ die Nachfrage nach Öl, Kohle und Gas einbrechen, gleichzeitig hielt der Trend zu geringeren Investitionen in den Sektor an. Als sich aber dann die Wirtschaft erholte, konnte das Angebot die Nachfrage nicht mehr decken.
  2. Im Rahmen der Umstellung auf grüne Energie wird die Produktion aus europäischen Gasfeldern zurückgefahren. Ein bemerkenswertes Beispiel dafür ist das Groningen-Feld in den Niederlanden, einst das größte Gasfeld Europas, das noch 2022 stillgelegt werden soll.
  3. Ein kalter Winter in Asien im Jahr 2021 erhöhte die Nachfrage nach verflüssigtem Erdgas; zugleich war die Windproduktion in Europa unter dem Durchschnitt, was die Verfügbarkeit von Strom aus erneuerbaren Quellen reduzierte.
  4. Die EU-Kommission hat die Anzahl der Kohlenstoffzertifikate reduziert und damit zu einem Anstieg der Kohlenstoffpreise beigetragen.
  5. Weiterhin haben die Sanktionen gegen Russland zu einer stärkeren Volatilität auf dem Energiemarkt geführt, insbesondere in der EU, die im Jahr 2021 noch 40% ihres Gases aus Russland importierte.
Wie wirken sich die steigenden Energiepreise auf die grünen Investitionen aus?
Einige Beobachter vergleichen unsere aktuelle Situation mit den Energiekrisen der 1970er Jahre. Im Jahr 1973 führte ein Krieg zwischen Israel und seinen Nachbarn zu einer Ölkrise, die ursächlich für das erste Aufkeimen der Windindustrie war. Könnte die aktuelle Krise zu einem ähnlichen Ergebnis führen? Das ist zwar nicht ausgeschlossen, aber Patrick Gilly, globaler Bereichsleiter für Energiewandel bei Ramboll, erklärt, dass die Preise zwar derzeit hoch sind, Investoren ihre Entscheidungen aber wohl kaum auf kurzfristige Preisschwankungen stützen werden: „Der Energiesektor war schon immer volatil“, erklärt Patrick Gilly. „Und die Investitionen in die Energieinfrastruktur sind von Natur aus langfristig. Das bedeutet, dass die Anleger auf Höhen und Tiefen vorbereitet sind und ihre Anlageentscheidungen wahrscheinlich nicht von den Kursschwankungen eines einzigen Winters abhängig machen werden. Die interessantere Frage ist, ob Investitionen in erneuerbare Energien so profitabel sein können, wie es die Investitionen in Öl und Gas in der Vergangenheit waren.“ Die Antwort auf diese Frage hängt von einer Reihe von Variablen ab, unter anderem von den Rohstoffpreisen, den Zinssätzen und der Regulierung auf dem Markt. Patrick Gilly erwartet, dass sich die Rohstoffpreise auf die Lieferketten und die Kosten der erneuerbaren Energien auswirken werden. Er vergleicht dies mit einem ähnlichen Zeitraum zwischen 2003 und 2004, als hohe Rohstoffpreise zu einem Zustrom von Investitionen in fossile Brennstoffe führten: „Diese zusätzlichen Investitionen führten zu einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und Ingenieuren. Im Bereich der erneuerbaren Energien wird dieser Fachkräftemangel eine ähnlich große Herausforderung sein. Es geht nicht nur um den Preis der Rohstoffe, sondern auch um die Möglichkeit, sie zu transportieren und die vielen notwendigen Fundamente für Wind- oder Solaranlagen zu installieren“, erklärt er. Die Preise für in Solarmodulen und Windturbinen verwendete Rohstoffe sind im vergangenen Jahr stark gestiegen, da die hohen Energiepreise einige Rohstoffhersteller dazu veranlasst haben, die Produktion zu drosseln oder gar einzustellen. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur hatten die Rohstoffpreise jedoch nur geringe Auswirkungen auf die zusätzliche Nachfrage nach erneuerbaren Energien. Laut Per Jørgensen werden auch die Zinssätze einen wichtigen Einfluss haben: „Bei den erneuerbaren Energien fallen die meisten Kosten im Voraus an. Deshalb reagieren sie empfindlicher auf die langfristigen Zinssätze, da ihre Amortisation 30 Jahre dauert, im Gegensatz zum Schiefergas in den Vereinigten Staaten, wo die Renditen schneller zurückfließen“, erklärt er.
Eine Frage der Schnelligkeit
Die Billionen-Dollar-Frage bei der grünen Energiewende ist: "Tun wir genug und tun wir es schnell genug, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels noch zu vermeiden?"
„Es ist schwer zu beurteilen, ob wir das richtige Tempo haben“, sagt Patrick Gilly. „Tatsächlich dürfen wir nicht vergessen, dass die Energieinfrastruktur, die wir heute nutzen, 70 Jahre für ihren Aufbau gebraucht hat. Und jetzt versuchen wir, eine Alternative in 30 Jahren oder weniger zu schaffen. Natürlich sind wir noch nicht schnell genug. Aber haben wir uns jemals so schnell bewegt? Ich glaube nicht“, fügt er hinzu.
Zum Kontaktieren des Herausgebers dieses Artikels senden Sie bitte eine E-Mail an Anders Brønd Christensen.

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