Andrew Mather

27. September 2022

Wohnungen und Gebäude klimasicher machen – aber wie?

Die Klimawissenschaft hat schon seit Längerem davor gewarnt, aber nun ist es so weit, und Großbritannien erlebt immer mehr Extremwetterereignisse, die in Zukunft leider noch häufiger auftreten werden. Angesichts ständig neuer Rekordtemperaturen müssen wir uns der Tatsache stellen, dass wir unsere Wohnungen und Gebäude umrüsten müssen, um besser gegen brütend heiße Sommer gewappnet zu sein. 

Erstveröffentlichung des Artikels auf constructionnews.co.uk
Von Andrew Mather.
Obwohl die Temperaturen seit Jahren steigen, hat die Überhitzung erst vor Kurzem Berücksichtigung in Großbritanniens Bauvorschriften gefunden (im sogenannten „Approved Document O“). Auch die Investoren hatten es mit Veränderungen nicht eilig, da Risiken im Zusammenhang mit der Anpassung an den Klimawandel anscheinend nicht relevant für ihre üblichen Haltedauern sind und keine höheren Renditen bringen. Um unsere Wohnungen bei extremer Hitze erträglich zu machen, brauchen wir dort praktische Veränderungen, und diese fangen mit einer Veränderung am Markt an. Wir müssen ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept für den Wandel entwickeln, das sowohl das Bottom-up-Instrument der Regulierung als auch das Top-down-Instrument wirtschaftlicher Investitionen nutzt. Darüber hinaus muss es sowohl für den Neubau als auch für die Nachrüstung des Bestands funktionieren. Einfach den Status quo zu akzeptieren und die Gestaltung der Zukunft dem natürlichen Wirken der Marktkräfte zu überlassen, wird nicht zu einem nationalen Wohnungsbestand führen, der an ein verändertes Klima angepasst ist, vor allem bei Wohnungen in einkommensschwachen Gegenden oder selbst in solchen mit mittleren Einkommen. Die Wirklichkeit sieht so aus, dass die Mehrheit der Hausbesitzer:innen sich die Modernisierungen nicht leisten kann, die notwendig sind, um ihre Häuser klimasicher zu machen. Es ist kein „gerechter Übergang“, wenn sich nur Wohnimmobilien des Premium-Segments den Wandel leisten können. Im ersten Regulierungsschritt für Neubauten müssen wir in Betracht ziehen, einen größeren Wandel herbeizuführen und zu bauen.
Das Problem der doppelten Wesentlichkeit
Beim Thema Marktveränderungen wird derzeit das Konzept von einfacher Wesentlichkeit gegenüber doppelter Wesentlichkeit heiß diskutiert. Bei der einfachen Wesentlichkeit geht es darum, welche Auswirkungen wichtig für das Unternehmen sind, während die doppelte Wesentlichkeit den umgekehrten Aspekt einbezieht, das heißt welche Auswirkungen das Unternehmen auf die Umwelt und die Gesellschaft hat.
Konzepte wie die Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) haben dahingehend zu einer positiven Veränderung geführt, dass klimabezogene Auswirkungen auf ein Unternehmen verstärkt als wesentlich betrachtet werden und daher im standardmäßigen, die einfache Wesentlichkeit umfassenden Reporting erfasst werden. Die Gesamtauswirkungen von Unternehmen auf den Planeten sind aber nur dann abgedeckt, wenn doppelte Wesentlichkeit gefordert wird.

„Die Umsetzung ganzheitlicher Lösungen, die die gesellschaftlichen Auswirkungen berücksichtigen und die Schaffung von sozialem Mehrwert im breiteren Sinne anstreben, sollten Vorrang genießen”

ANDREW MATHER
MANAGER BEI RAMBOLL MANAGEMENT CONSULTING.

Im Kontext der Wohnungswirtschaft geht diese Denkweise über die wesentlichen Auswirkungen auf Gebäudenutzer:innen, -entwickler:innen oder -eigentümer:innen hinaus und betrachtet auch die Auswirkungen, die sie verursachen. Wenn zum Beispiel ein Straßenzug mit Reihenhäusern saniert wird, könnte es sein, dass die Installation von Klimaanlagen die wirtschaftlich attraktivste Option ist, um extremer Hitze zu entgehen und den Wohnkomfort der Bewohner:innen zu gewährleisten. Aber welche Auswirkungen hat das auf die Wohnungen und Gebiete, in die die von den Klimaanlagen erzeugte heiße Abluft gelangt? Schnelle Lösungen wie das Anmontieren von Klimaanlagen sind kein „gerechter Übergang“, vor allem weil sie eine noch stärkere Aufheizung der Umgebung verursachen können. Die Umsetzung ganzheitlicher Lösungen, die die gesellschaftlichen Auswirkungen berücksichtigen und die Schaffung von sozialem Mehrwert im breiteren Sinne anstreben, sollten daher bei der Vorsorge für Extremwetter Vorrang genießen.
Wesentliche Erkenntnisse für die Bauwirtschaft
Bei der Anpassung des Gebäudebestands in Großbritannien an höhere Temperaturen können wir aus der Natur und von anderen Ländern einiges lernen. Grüne Infrastruktur wie Parks und lokale Ökosysteme können eine Schlüsselrolle bei der Kühlung von Stadträumen während einer Hitzewelle spielen. Auch eine stärkere Begrünung von Siedlungen kann dazu beitragen, die Aufheizungseffekte zu mindern. Ferner könnte Großbritannien von der Umsetzung bewährter und erprobter Wärmeschutztechniken aus den südeuropäischen Ländern profitieren – darunter Planungstechniken wie Gebäudeausrichtung, Reduzierung von Glas an Südfassaden, Priorisierung passiver Lüftungskonzepte und Einbeziehung von Gebäudeausstattung wie Außenbeschattung, helle Außenflächen und Grünfassaden. Diese Änderungen lassen sich verhältnismäßig leicht in die britische Wohnungsbauplanung integrieren und haben oft den positiven Nebeneffekt, dass sie andere Klimarisiken reduzieren, die Energiekosten senken und das Wohlbefinden der Bewohner:innen steigern. Die größte Herausforderung liegt in der Bewältigung höherer Investitionskosten – was bei Neubauten ein deutlich geringes Problem ist als bei Nachrüstungen. Die Vorteile bei den Betriebskosten sind jedoch erheblich, und sie werden sich positiv auf den Immobilienwert auswirken.
Die Marschrichtung
Die Welt verändert sich schneller, als viele erwartet haben, aber wir tun uns dennoch oft schwer damit, Lösungen zu implementieren, die uns technisch eigentlich möglich wären. Welche Hebel müssen jetzt angesetzt werden, um die Bremsen zu lösen? Zunächst einmal ist eine engagierte Politik erforderlich, die auf den jüngsten Bauvorschriften aufbaut und die Klimaanpassung in unserem Gebäudebestand verbindlich vorschreibt. Dies sollte für Bestandswohnraum ebenso wie für Neubauten gelten und die Mindeststandards anheben, um die Klimaanpassungen umzusetzen, die in allen unseren Wohnungen benötigt werden. Die Minimum Energy Efficiency Standards (MEES) sollten zu Minimum Climate Adaptation Standards erweitert werden, die ein Rating für den Schutz vor Hitze und anderen Klimagefahren beinhalten. Dies würde zu dem gemeinsamen Denken in Planung, Konstruktion und Betrieb führen, das wir dringend brauchen.
Zweitens brauchen wir ein landesweites, finanziell unterfüttertes staatliches Programm zur Aufwertung unseres Wohnungsbestands. Dieses Programm sollte Hausbesitzer:innen und Vermieter:innen Anreize geben, Resilienz in ihre Wohnungen einzubauen. Ein solches Programm gibt es zum Beispiel in Italien, wo Hausbesitzer:innen eine Steuererleichterung von 110 Prozent für Verbesserungsmaßnahmen zur Minderung der Klimarisiken erhalten.

„Naturbasierte Lösungen und andere Optionen sind insgesamt deutlich vorteilhafter“

ANDREW MATHER
MANAGER BEI RAMBOLL MANAGEMENT CONSULTING.

Die staatlichen Ausgaben werden den Nutzer:innen erhebliche Vorteile bringen, unsere Energiesicherheit verbessern, die CO2-Emissionen senken, die Heizkosten senken und letztlich auch unser Gesundheitswesen bei extremen Temperaturen entlasten.
Schließlich und endlich ist eine bessere Kommunikation des Themas Klimaanpassung in der Branche und der Öffentlichkeit erforderlich, die mit der Einsicht einhergehen muss, dass eine Maßnahmenhierarchie implementiert werden sollte, bei der die Aspekte der doppelten Wesentlichkeit berücksichtigt werden.
Investor:innen und Hauseigentümer:innen sollten wissen, dass naturbasierte Lösungen und andere Optionen insgesamt deutlich vorteilhafter sind, als ohne entsprechendes Wissen und ohne Rücksicht auf die Auswirkungen auf andere Klimaanlagen anzuschaffen.
Unser Klima verändert sich, und das hat Auswirkungen auf unsere Wohnungen und unser Leben. Viele der Lösungen, die wir umsetzen müssen, stehen uns zwar bereits zur Verfügung, aber wir brauchen dringend mutige politische Schritte, um Einfluss auf den Wohnungsmarkt zu nehmen und Erkenntnisse aus der Natur in die Planung zu integrieren.
Wenn diese Botschaft in diesem Sommer nicht bei uns ankommt, werden wir in den kommenden Jahren mit Sicherheit daran erinnert werden.

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  • Andrew Mather

    Senior Managing Consultant

    +44 7929 057019

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