Ask T. H. Brüel
7. Juli 2024
Das Trilemma der Energiewende: Wie es die EU-Energiepolitik beeinflusst
Europa steckt in dem Trilemma, eine stabile, möglichst unabhängige, klimaneutrale Energieversorgung sicherzustellen - und das zu erschwinglichen Preisen. Wir untersuchen, welche Wege es für die politischen Entscheidungsträger der EU gibt, diese Herausforderung zu meistern.
In einem kürzlich erschienenen Bericht von Ramboll Management Consulting wurde das Trilemma der Energiewende in Europa im Rahmen der politischen Diskussionen in der Europäischen Union untersucht. Die Energiewende steckt seit den letzten zwei Jahren durch Konflikte in Europa in einem Trilemma, das sich auf die Energieversorgung, -stabilität und -preise auswirkt, zugleich aber auch Anreiz sein kann für nachhaltigere langfristigen Lösungen in der Energieversorgung. Im Interview mit Ask T. H. Brüel, Global Head of Energy & Utility bei Ramboll, erfahren Sie, warum dieses Trilemma seiner Meinung nach unverändert relevant ist.
Ask T. H. Brüel: Mit dem Trilemma sind drei Bereiche gemeint, die miteinander in Einklang gebracht werden müssen: Energiesicherheit, Finanzierbarkeit und Nachhaltigkeit. Bei der Gestaltung der Energiepolitik ist es eine ständige Herausforderung, ein Gleichgewicht zwischen diesen drei Bereichen zu finden, insbesondere wenn es um Sicherheit und Nachhaltigkeit während der Energiewende geht.
Wegen des Einmarschs Russlands in die Ukraine und der Krise, die dadurch ausgelöst wurde, hat auch die Dimension der Finanzierbarkeit an Bedeutung gewonnen.
Die Krise macht deutlich, wie wichtig es ist, das Trilemma langfristig in die politische Entscheidungsfindung mit einzubeziehen.
Dies könnte bedeuten, dass bei der Konzipierung der Energiepolitik eine Folgenabschätzung für das Trilemma durchgeführt wird.
In der EU ist es uns gelungen, wesentlich unabhängiger von der russischen Energieversorgung zu werden. Aber wenn wir wirklich diversifizieren wollen, haben wir noch einen langen Weg vor uns. Sanktionen auf EU-Ebene waren der Schlüssel zu dieser Diversifizierung, die zu einem beträchtlichen Wachstum bei anderen Anbietern von Flüssigerdgas (LNG) führte. Obwohl die EU nun Energie von einer Vielzahl anderer Lieferländer bezieht, ist die Abhängigkeit von einigen wenigen Ländern wie Norwegen und den USA immer noch recht groß.Dies zeigt erstens, dass wir uns weiterhin darauf konzentrieren müssen, unsere Energieversorgung unabhängiger zu gestalten.
Zweitens stellt sich die Frage, wie sich kurz- und langfristige Ziele am besten vereinbaren lassen. So hat Deutschland beispielsweise während der Krise die Nutzung fossiler Brennstoffe zur Energiesicherung verlängert, was zwar kurzfristig dem Bedarf gedeckt hat, jedoch nicht auf das langfristige Ziel einer nachhaltigen Energieversorgung eingezahlt hat.
Langfristig Gleichgewicht in diesem Trilemma zu schaffen ist der Schlüssel für ein zukünftiges Energiesystem, in dem Unabhängigkeit, Angebot, Nachfrage und Netzstabilität die Schlüsselworte sind.
Dies bezieht sich auf ein zuverlässiges Angebot und auch auf das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, wobei die volatilere Angebotsseite durch mehr Flexibilität auf der Nachfrageseite ausgeglichen werden kann. Ein Beispiel hierfür sind innovative Geschäftsmodelle, die auf der Bereitstellung einer flexiblen Nachfrage für den Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) und den Verteilernetzbetreiber (VNB) basieren. Dabei kann es sich um einen kleinen Betrieb oder ein größeres Unternehmen wie ein Rechenzentrum handeln. Im Prinzip wird die Abwicklung dorthin verlagert, wo am meisten Energie verfügbar ist.
Ask Brüel: Letztes Jahr haben wir einen Bericht über das Trilemma der Energieversorgung veröffentlicht. Darin haben wir untersucht, wie die Stromversorgung sicherer werden kann, und 17 politische Empfehlungen ausgesprochen, für die EU- und auch für die internationale Ebene. Dabei konzentrierten wir uns auf Faktoren wie Diversifizierung, strategische Energieplanung, Bedarfsflexibilität und die Auswirkungen der Energiepolitik auf das Trilemma, was bei den politischen Entscheidungsträgern auf positive Resonanz stieß. Diese Empfehlungen sind nach wie vor aktuell.
Nicht nur die Industrie kann etwas bewirken. Ich habe an der UN-Klimakonferenz COP28 im Jahr 2023 teilgenommen und viele Diskussionen über die Verdreifachung des Einsatzes erneuerbarer Energien, die Festlegung langfristiger globaler Ziele und die Erfassung kurz- und mittelfristiger Fortschritte miterlebt. Es wurde auch viel über das große Potenzial in der Energieeffizienz gesprochen, die verdoppelt werden muss. Dies ist auch etwas, das jeder von uns selbst in die Hand nehmen kann, indem wir uns aktiv darum bemühen, selbst Energie zu sparen – sowohl zum Wohle unseres Planeten als auch aus finanziellen Gründen.
Letztendlich müssen wir auf lange Sicht ein Gleichgewicht zwischen nachhaltiger Energie und Energiesicherheit finden. Die Krise hat uns gezeigt, wie instabil die derzeitige Situation ist und wie wichtig es ist, dass die Energiepolitik alle Bereiche des Trilemmas berücksichtigt.
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