Patrick Moloney

15. November 2023

ESRS E5 – Von der Wesentlichkeitsbeurteilung bis hin zu neuen Fortschritten auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft

In Europa ist kürzlich die neue EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) in Kraft getreten, die von den Unternehmen eine doppelte Wesentlichkeitsbeurteilung verlangt. Wir haben mit zwei unserer Expert:innen gesprochen, die viele Kunden auf ihrer Reise rund um ESRS E5 begleitet haben: Patrick Moloney, Director, Strategic Sustainability Consulting, und Caroline Kötter-Bendtsen, Associate Manager, Strategic Sustainability Consulting.

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Beginnen wir mit dem ESRS E5 – wofür steht diese Abkürzung?

Patrick Moloney: Es geht hier um die European Sustainability Reporting Standards, wobei sich der ESRS E5 speziell auf die Bereiche Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft bezieht. Aber vielleicht sollte ich zuerst kurz auf die CSRD und die doppelte Wesentlichkeitsbeurteilung eingehen.

Die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) ist ein neues EU-Regelwerk, das alle großen Unternehmen und börsennotierten KMU dazu verpflichtet, umfassendere Regeln für die Offenlegung der sozialen und ökologischen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit sowie der Risiken und Chancen im Zusammenhang mit ihren geschäftlichen und betrieblichen Vorgängen zu befolgen. Es ist das erste Mal, dass die Europäischen Kommission einen detaillierten Standard für nicht finanzielle Daten definiert hat. Die ersten rund 50.000 Unternehmen, die unter die CSRD fallen, müssen die neuen Anforderungen bereits bei ihrer Berichterstattung für das Geschäftsjahr 2024 erfüllen. Daneben sind unter der CSRD auch Offenlegungen nach den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) erforderlich.

Eine doppelte Wesentlichkeitsbeurteilung ist bei der Vorbereitung auf die CSRD unerlässlich und dient als Grundlage für die Feststellung, welche ESRS-Standards und spezifischen Offenlegungspflichten für ein Unternehmen gelten. Mit „doppelter“ Wesentlichkeit ist gemeint, dass jedes Unternehmen die Relevanz eines ESG-Ereignisses aus zwei verschiedenen Perspektiven berücksichtigen muss: 1) die Auswirkungen des Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft, also eine Inside-Out-Perspektive, und 2) die mit einem solchen Ereignis verbundenen Risiken und Chancen, eine Outside-In-Perspektive.

Wir haben viele Kunden bei ihrer ersten doppelten Wesentlichkeitsbeurteilung begleitet, wobei viele von ihnen den neuen Berichtsstandard ESRS E5 zu Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft als für sie maßgeblich identifiziert haben. Bei der Auseinandersetzung mit den Anforderungen des neuen Standards waren sie oft von der Bandbreite der Offenlegungspflichten und dem geforderten Detaillierungsgrad überwältigt. Trotzdem sind wir der Meinung, dass der ESRS E5 als Gelegenheit genutzt werden kann, ein klares Bild davon zu erhalten, was die einzelnen Strategien, Ziele, Kennzahlen und Aktionspläne für die Kreislaufwirtschaft beinhalten sollten.

„Wir hoffen, dass die Unternehmen den ESRS E5 als Gelegenheit nutzen werden, ein klares Bild davon zu erhalten, was die einzelnen Strategien, Ziele, Kennzahlen und Aktionspläne für die Kreislaufwirtschaft beinhalten sollten.“

Caroline Kötter
Associate Manager, Strategic Sustainability Consulting

Caroline, Du beschäftigst dich bei Ramboll schon länger mit dem ESRS E5. Was ist aus Deiner Sicht der beste Ausgangspunkt, um sich diesem Thema anzunähern?

Caroline Kötter-Bendtsen: Der ESRS E5 konzentriert sich speziell auf Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft. Er ist einer von fünf mit der CSRD eingeführten Standards für die Nachhaltigkeitsberichtserstattung, die verschiedenen Umweltthemen gewidmet sind. Ein guter Ausgangspunkt besteht darin, sich mit den einzelnen Offenlegungsanforderungen auseinanderzusetzen. Der ESRS E5 lässt sich in drei Kategorien einteilen:

  • Wie werden die wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen ermittelt? Darum geht es beim Prozess der doppelten Wesentlichkeitsbeurteilung.
  • Wie werden die wesentlichen Auswirkungen gehandhabt? Hier kommen verschiedene Strategien und Maßnahmen ins Spiel.
  • Wie werden die wesentlichen Auswirkungen gemessen? Anhand von relevanten Zielen, KPIs und finanziellen Aspekten.

Der ESRS enthält detailliertere Anforderungen und Leitlinien über die erforderlichen Offenlegungen und Datenpunkte. Nachfolgend möchte ich einen einfachen Überblick über diese Anforderungen geben:

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Die Offenlegungsanforderungen des ESRS E5 sind umfangreich – und wenn das nur einer von fünf Standards für die Nachhaltigkeitsberichtserstattung ist, kann ich verstehen, warum die Kunden besorgt sind …

Patrick Moloney: Ja, es kommt oft vor, dass Kunden das alles für relativ unkompliziert halten – bis sie den Standard lesen und den Umfang der Offenlegungspflichten und die damit verbundene Detailtiefe begreifen! Dabei soll der Standard gar nicht dazu führen, die Unternehmen zu überfordern. Da die Themen Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft komplex und breit gefächert sind, lassen sie sich in der Regel nicht auf die Schnelle abarbeiten. Ergibt also die doppelte Wesentlichkeitsbeurteilung, dass Offenlegungen zur Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft im Rahmen des ESRS E5 erforderlich sind, ist es wichtig, erst mal einen Anfang zu machen. Gleichzeitig sollte man bedenken, dass sowohl die Leistung als auch die Berichterstattung mit der Zeit besser werden und das Unternehmen nach und nach von den Vorteilen profitieren wird.

Es dürfte mehrere Möglichkeiten geben, die Anforderungen des ESRS E5 zu erfüllen – eine mit „minimalem Aufwand“ und eine etwas ambitioniertere. Warum empfiehlst Du Unternehmen, bei der Compliance einen Schritt weiterzugehen?

Caroline Kötter-Bendtsen: Ja, das stimmt. Wir hoffen, dass die Unternehmen den ESRS E5 als Gelegenheit nutzen werden, ein klares Bild davon zu erhalten, was die einzelnen Strategien, Ziele, Kennzahlen und Aktionspläne für die Kreislaufwirtschaft beinhalten sollten. Aus unserer Sicht sprechen zwei wichtige Argumente dafür, dem ESRS E5 Priorität einzuräumen:

  1. Um widerstandsfähiger zu werden: Die Anforderungen des ESRS E5 können als Orientierungshilfe dienen, um relevante Aspekte der Kreislaufwirtschaft im Unternehmen zu verstehen, zu verwalten und zu verbessern. Das kann dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit gegenüber kritischen Risiken wie Materialknappheit und künftigen Vorschriften wie der kommenden Neuauflage der EU-Ökodesign-Richtlinie zu erhöhen.
  2. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken: Durch eine solide Berichterstattung und Leistung im Rahmen des ESRS E5 können Unternehmen zeigen, dass sie einen Schritt weiter gegangen sind als ihre Konkurrenten, die möglicherweise noch gar keine Kreislaufinitiativen zur Reduzierung ihrer CO2-Emissionen auf den Weg gebracht haben.
  3. Um neuen Anforderungen von Kunden und Investoren gerecht zu werden: Durch die Verfügbarkeit solider Daten im Rahmen des ESRS E5 sind Unternehmen tendenziell besser in der Lage, anspruchsvollen Kunden- und Investorenanfragen zu Kreislaufinitiativen effektiv zu begegnen, auch im Rahmen neuer Ausschreibungsanforderungen, die Kreislauffähigkeit zu einem wichtigen Bestandteil jedes Angebots machen.

Kreislaufmaßnahmen können zur Lösung verschiedener Umweltprobleme beitragen und ermöglichen Leistungsverbesserungen, die unter den vier Umweltstandards offengelegt werden können: Verringerung von CO2-Emissionen, Biodiversitätsverlust, Umweltverschmutzung und Wasserverbrauch. Vor diesem Hintergrund hoffen wir, dass die Unternehmen den ESRS E5 als Priorität begreifen bei der Entscheidung, auf welchen ESRS sie sich konzentrieren wollen.

Habt Ihr Ratschläge, die helfen könnten, sich strukturiert mit dem ESRS E5 zu befassen?

Patrick Moloney: Auf jeden Fall! Wir haben uns im Detail damit auseinandergesetzt, wie man den ESRS E5 auf eine Weise angehen kann, die unserer Meinung nach ressourceneffizient ist und gleichzeitig maximale Vorteile für das Unternehmen bringt.

In einem Whitepaper haben wir unsere Empfehlungen zusammengefasst, um den Übergang von der Wesentlichkeitsbeurteilung zur Berichterstattung nach ESRS E5 zu vereinfachen und klarzustellen, was je nach Ambitionen offengelegt werden sollte. Wenn Sie die neuen Anforderungen als Chance zur Entwicklung einer solideren Kreislaufstrategie betrachten, die Ziele, Kennzahlen und Aktionspläne umfasst, oder wenn es Ihnen zunächst vor allem um die Compliance geht, dann sollten Sie unser Whitepaper lesen, das in naher Zukunft herauskommt.

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