Regin Røndal-Liniger
5. Juni 2022
Nachhaltigkeits-Roadmaps: Den Worten Taten folgen lassen
Die Botschaft ist klar: Die 2020er Jahre sind das Jahrzehnt des Handelns. Wir alle müssen beim Thema Nachhaltigkeit den Worten Taten folgen lassen. Aber woher wissen wir, welche Schritte wir unternehmen sollen, und ob sie uns in die richtige Richtung führen? In diesem praxisnahen Artikel erklärt Ramboll-Experte Regin Røndal-Liniger, wie Nachhaltigkeits-Roadmaps dazu beitragen von übergeordneten Strategien zu konkreten Maßnahmen zu gelangen und damit nachhaltige Veränderungen zu bewirken.
Von Regin Røndal-Liniger
Angesichts des rasanten Wandels im Bereich der Nachhaltigkeit in verschiedenen Branchen haben die meisten Unternehmen bereits ehrgeizige Nachhaltigkeitsstrategien entwickelt. Diese Strategien beschreiben sowohl die Gesamtziele als auch die Schwerpunktbereiche zum Erreichen dieser Ziele.
Das ist bereits ein wichtiger Schritt. Es braucht allerdings eine klare Roadmap, um die genannten Ziele auf kosteneffiziente Weise erreichen zu können. Hierbei bieten wir unseren Kund:innen handfeste Unterstützung. Im Folgenden möchte ich anhand von Erkenntnissen aus meiner Projektarbeit aufzeigen, was in einer Roadmap enthalten sein sollte und über welche Kernkompetenzen das Projektteam verfügen sollte.
Meine Ratschläge basieren unter anderem auf unserer Arbeit für Henkel. Henkel ist ein globales Unternehmen mit ehrgeizigen Nachhaltigkeitszielen, das mehr als 180 Produktionsstätten auf der ganzen Welt betreibt. Ramboll hat das Unternehmen bei der Entwicklung einer Roadmap für die Dekarbonisierung unterstützt.
Das Wichtigste zuerst: Was genau beinhaltet eine Nachhaltigkeits-Roadmap eigentlich?
Die Roadmap besteht aus Projekten, Aktivitäten und Initiativen, aus denen sich der Plan zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie zusammensetzt. Wie auch im Fall von Henkel beinhaltet dies bei vielen unserer Kundenaufträge einen Plan für eine Vorgehensweise zur Dekarbonisierung. Für jedes Projekt auf der Roadmap gibt es eine detaillierte technische Beschreibung sowie eine Berechnung der Wirtschaftlichkeit, potenzieller mit dem Projekt verbundener Risiken und des CO2e-Reduktionspotenzials.
Um einen potenziellen „CO2-Tunnelblick“ zu vermeiden, bedenken Sie immer, dass eine Nachhaltigkeits-Roadmap nicht nur ein technisches Managementinstrument ist, sondern auch ein Kommunikationsinstrument, um die Interessengruppen mit einzubinden und über die dringendsten Nachhaltigkeitsthemen auf dem Laufenden zu halten.
Schauen wir nun kurz darauf, wie wichtig es ist, das Team richtig zusammenzustellen.
Um eine klare und greifbare Dekarbonisierungs-Roadmap zu erstellen, brauchen Sie im Idealfall die folgenden Kompetenzen in Ihrem Kernteam oder müssen sie bei Bedarf schnell zur Hand haben:
- Fundiertes Wissen über die technischen Möglichkeiten zur Reduzierung der CO2e-Emissionen
- Kenntnis des lokalen Energiemarktes bezüglich der Triebkräfte am nationalen Markt, des Rechtsrahmens und der Anreizstrukturen sowie der Möglichkeiten für den Einkauf erneuerbarer Energie
- Wissen über die unterschiedlichen Nachhaltigkeitskonzepte und -prinzipien: Wissenschaftsbasierte Ziele, THG-Bilanzierung, ESG-Due-Diligence, etc.
- Wirtschaftlichkeitsanalyse, Kapitalwertberechnungen und Sensitivitätsanalysen
In der Regel besetzen wir Roadmapping-Projekte mit Betriebswirtschafts- und Nachhaltigkeitsexpert:innen aus dem Management Consulting sowie technischen Expert:innen aus den Bereichen nachhaltiges Bauen, Mobilität, Energie oder Umwelt & Gesundheit, je nach Art der benötigten Roadmap.
Einige Großunternehmen verfügen über die genannte Expertise möglicherweise vollständig intern. Falls nicht, ist es ein logischer Schritt, die Kompetenzlücken extern zu schließen – oder mit externem Personal dafür zu sorgen, dass Ihre eigenen Fachkräfte ihre tägliche Arbeit machen können. Unabhängig von der Herangehensweise an die Personalausstattung ist ein enger, offener und kontinuierlicher Dialog zwischen allen Beteiligten eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg des Projekts.
Die richtigen Interessengruppen zum richtigen Zeitpunkt zu den richtigen Fragen einzubeziehen, ist ein entscheidender Punkt, den wir nicht genug betonen können.
Lassen Sie uns nun konkret werden und zu unserem Beispiel zurückkehren – der Dekarbonisierungs-Roadmap für Henkel.
Wie in den meisten anderen Fällen, bietet auch bei Henkel eine Marktanalyse die Grundlage für die Roadmap. Dabei analysieren wir die Marktanreize anhand von Fragen wie
- Wie sieht das Energiesystem am Unternehmensstandort aus?
- Welche Möglichkeiten der Energiebeschaffung gibt es derzeit?
- Gibt es Marktpläne für erneuerbare Energiequellen?
- Wie sehen die Energiepreisentwicklung und ihr Einfluss auf die Anwendbarkeit der Technologie aus?
- Wie ist der Stand der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen und Trends? Zum Beispiel Einspeisetarif zur Förderung von Investitionen in erneuerbare Energien, Pläne zur CO2-Besteuerung, nationale/regionale Energiestrategien, etc.
In diesem Teil des Prozesses ist eine aufgeschlossene Herangehensweise entscheidend, auch dann, wenn Sie aus Erfahrung bereits mit größeren Hürden rechnen.
Die Erstellung einer Roadmap beginnt mit einer langen Liste von Initiativen/Projekten ohne Berücksichtigung von Platzbeschränkungen, Kapitalkosten und Möglichkeiten der Energiebeschaffung. Erst danach werden die Lösungen auf der Basis einer groben Bewertung von Investitionskosten, Betriebskosten, CO2e-Reduktionsspotenzial, Risiko und Wirtschaftlichkeit evaluiert. Bereits geplante Initiativen auf Kundenseite werden ebenfalls in die Dekarbonisierungs-Roadmap aufgenommen.
Projekte mit hohem Risiko oder schlechter Wirtschaftlichkeit werden automatisch aus der Shortlist der technischen Analyse ausgeschlossen. Eine Shortlist von Lösungen zur weiteren Analyse wird gemeinsam mit dem Kunden und dem Projektleistungsausschuss formuliert.
Für die Lösungen auf der Shortlist wird eine technisch-finanzielle Analyse durchgeführt, um die zu budgetierenden Kapital- und Betriebskosten, die CO2e-Reduktion und die Kosten der CO2-Vermeidung zu ermitteln.
Auf Grundlage der Ergebnisse der technisch-finanziellen Analyse entwickeln wir in der Regel eine Roadmap mit einer kurzfristigen (1-2 Jahre), mittelfristigen (<5 Jahre) und langfristigen Perspektive (5-10 Jahre).
Eine Roadmap zu haben, ist ein hervorragender Ausgangspunkt für die Reise, aber Sie brauchen auch interne Kompetenzen in Ihrer eigenen Organisation, um die Roadmap umzusetzen, zu steuern und kontinuierlich zu verbessern, um die unterwegs auftretenden Risiken zu minimieren. Diese Aufgaben lassen sich unter Umständen nur schwer auslagern.
Außerdem müssen Sie zwei weitere Aspekte bedenken: 1) Rollen und Zuständigkeiten, und 2) Arbeitsabläufe und Prozesse.
Sie müssen folgende Fragen klar beantworten können: Sind Rollen und Zuständigkeiten in der gesamten Organisation und am Ort der Umsetzung und Überwachung von CO2e- bzw. Energiereduktionsinitiativen (bei Dekarbonisierungszielen) zugewiesen? Verfügen Sie intern über die richtigen Kompetenzen, um die Initiativen durchzuführen, auch auf Führungsebene?
Und was die Arbeitsabläufe und Prozesse betrifft, müssen Sie sich mindestens die folgende Frage stellen: Welche Prozesse gibt es zur Ermittlung, Implementierung und Überwachung von CO2e- bzw. Energiereduktionsinitiativen?
„Von der strategischen Ebene zur Ebene einer Roadmap zu gelangen, erfordert viel Aufwand, aber abgesehen von den klaren Vorteilen für das Geschäft und den Klimaschutz haben wir festgestellt, dass der gesamte Prozess das Thema Nachhaltigkeit in unserem Unternehmen sehr viel greifbarer macht.“
Auch wenn Sie externe Expert:innen hinzuziehen, um Sie auf Ihrem Weg in Richtung Nachhaltigkeit zu unterstützen, ist es für jede Organisation entscheidend, das Gelernte festzuhalten und allen dabei zu helfen, in ihre Rolle hineinzuwachsen. In diesem Artikel habe ich unsere Erkenntnisse in konkrete Hinweise zusammengefasst.
Erfreulicherweise sieht unser Kunde Henkel das ganz genauso. Deshalb überlasse ich Bernd Bunje das Schlusswort. Er ist Leiter der Abteilung Einkauf, Versorgung und Abfallmanagement Europa bei Henkel:
„Um unsere Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, brauchen wir konkrete Roadmaps zur Dekarbonisierung, die sich sehr konkret auf die spezifischen Fragestellungen, Prozesse, aufsichtsrechtlichen und marktbezogenen Möglichkeiten zur Beschaffung erneuerbarer Energien in den Ländern beziehen, in denen sich unsere Produktionsstandorte befinden. Von der strategischen Ebene zur Ebene einer Roadmap zu gelangen, erfordert viel Aufwand, aber abgesehen von den klaren Vorteilen für das Geschäft und den Klimaschutz haben wir festgestellt, dass der gesamte Prozess das Thema Nachhaltigkeit in unserem Unternehmen sehr viel greifbarer macht."
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Regin Røndal-Liniger
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