Thomas Trier

24. Februar 2022

Was Sie über den Vorschlag für ein neues EU-Gesetz zur Sorgfaltspflicht im Bereich Menschenrechte und Umwelt wissen sollten

Mit ihrem jüngsten Vorschlag bezweckt die EU-Kommission, die gesetzliche Messlatte für die Sorgfaltspflicht im Bereich Menschenrechte und Umwelt anzuheben. Unser internationaler Experte für dieses Thema, Thomas Trier Hansen, erklärt, worum es dabei geht und warum Sie sich damit befassen sollten.

Von Thomas Trier Hansen
Am 23. Februar 2022 hat die EU-Kommission ihren lang erwarteten Vorschlag für eine EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich Menschenrechte und Umwelt veröffentlicht, die Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit. Noch handelt es sich dabei um einen Vorschlag, doch werden das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten diesen Vorschlag im nächsten Schritt diskutieren und höchstwahrscheinlich Anpassungen vorschlagen.
Eine solche Debatte kann mehrere Jahren dauern, aber es ist wahrscheinlich, dass das Europäische Parlament versuchen wird, den Prozess vor Ende seiner Amtszeit im Jahr 2024 abzuschließen. Dieser Vorschlag ist ein Meilenstein in der Gesetzgebung, da es sich um die erste Initiative dieser Art handelt. Allerdings könnte er auch viele enttäuschen, da er zu wenig ehrgeizig ist und viele Ausnahmen enthält.
Was sind die Hauptmerkmale der Richtlinie?
Der Vorschlag ist auf bestimmte EU- und Nicht-EU-Unternehmen anwendbar und gilt für zwei Kategorien von EU-Unternehmen:
Gruppe 1: Alle EU-Gesellschaften mit beschränkter Haftung von erheblicher Größe und Wirtschaftskraft (mit mehr als 500 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von mehr als 150 Mio. Euro weltweit).
Gruppe 2: Andere Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die in definierten Sektoren mit hoher Umweltauswirkung tätig sind, die nicht beide Schwellenwerte der Gruppe 1 erfüllen, aber mehr als 250 Beschäftigten und einen Nettoumsatz von mindestens 40 Mio. EUR weltweit haben. Dies gilt für Unternehmen, die in Branchen mit besonders hohen Auswirkungen tätig sind, die gleichzeitig in die bestehenden sektorspezifischen OECD-Leitsektoren fallen.
Gemäß dem Vorschlag sollte mindestens 50 % dieses Nettoumsatzes in einer oder mehreren der folgenden Branchen erzielt werden: (i) Herstellung von Textilien, Leder und verwandten Produkten (einschließlich Schuhen) sowie dem Großhandel mit Textilien, Bekleidung und Schuhen; (ii) Land- und Forstwirtschaft, Fischerei (einschließlich Aquakultur), Herstellung von Lebensmitteln sowie dem Großhandel mit landwirtschaftlichen Rohstoffen, lebenden Tieren, Holz, Lebensmitteln und Getränken; sowie (iii) Abbau von Bodenschätzen.
Der Vorschlag gilt auch für in der EU tätige Nicht-EU-Unternehmen, deren Umsätze den Schwellenwerten der Gruppen 1 und 2 entsprechen und in der EU erzielt werden.
Folglich sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU), zu denen auch Kleinstunternehmen gehören und die etwa 99 % aller Unternehmen in der Union ausmachen, von der Sorgfaltspflicht des Vorschlags freigestellt. Die EU-Kommission argumentiert, dass der finanzielle und administrative Aufwand für die Einrichtung und Durchführung einer solchen Sorgfaltsprüfung für die KMU exzessiv wäre.
Sie werden jedoch einen Teil der Kosten und der Belastung durch ihre Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen tragen müssen, die in den Anwendungsbereich fallen, da von den Großunternehmen erwartet wird, die Forderungen an ihre Lieferant:innen weiterzugeben. Dieser Ausschluss steht nicht im Einklang mit den UNGPs und den OECD-Leitsätzen. Der Vorschlag ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass von den KMU weiterhin erwartet wird, dass sie diese internationalen Mindeststandards außerhalb der EU einhalten.
Der Vorschlag unterstreicht außerdem, dass es nicht nur um die Auswirkungen in der Lieferkette geht. Der Vorschlag gilt auch für die eigenen Tätigkeiten der Unternehmen, die ihrer Tochtergesellschaften und ihre Wertschöpfungsketten.
Warum sich damit befassen, obwohl es nur ein Vorschlag ist?
Es gibt keine Anzeichen dafür, dass dieser Vorschlag nicht zu einer Richtlinie werden wird, da der Trend in vielen EU-Mitgliedstaaten dahin geht, Gesetze zu verabschieden, die eine Sorgfaltspflicht im Bereich Menschenrechte und Umwelt vorschreiben, die Zivilgesellschaft dies unterstützt und sich die großen Unternehmen in der EU nicht gegen die Grundsätze der Sorgfaltspflicht stellen.
Darüber hinaus verweist die EU-Taxonomie bereits auf eine solche Sorgfaltspflicht auf der Grundlage der UN-Leitprinzipien für Menschenrechte und Wirtschaft (UNGPs) sowie der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen (OECD-Leitsätze) als Mindestgarantien. Daher gehen wir davon aus, dass der Vorschlag früher oder später in eine Richtlinie münden wird, die die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
Sorgfaltspflicht und Beschwerdemechanismus
Die Sorgfaltspflicht der Unternehmen besteht darin, die Due Diligence in ihre Richtlinien zu integrieren und über jährlich aktualisierte Sorgfaltspolitik zu pflegen, tatsächliche oder potenzielle nachteilige Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt zu erkennen, potenzielle Beeinträchtigungen zu verhindern oder abzumildern, tatsächliche Belastungen zu beenden oder zu minimieren, die Wirksamkeit der Sorgfaltsrichtlinien und -maßnahmen zu überwachen und öffentlich über die eigene Due Diligence zu informieren.
Die Konsultation von Interessengruppen ist während des gesamten Prozesses vorgesehen, soweit dies relevant ist. Außerdem müssen die Unternehmen ein Beschwerdeverfahren einrichten und pflegen. Dieses Beschwerdeverfahren sollte für berechtigte Bedenken hinsichtlich potenzieller oder tatsächlicher negativer Auswirkungen gelten, auch in der Wertschöpfungskette des Unternehmens, und für alle Personen zugänglich sein, die von einer negativen Auswirkung betroffen sind oder berechtigten Grund zu der Annahme haben, von einer negativen Auswirkung betroffen sein zu können, sowie für Gewerkschaften und andere Arbeitnehmervertreter:innen, die Personen vertreten, die in der betreffenden Wertschöpfungskette arbeiten; außerdem für Organisationen der Zivilgesellschaft, die in dem betreffenden Gebiet tätig sind.
Klare Verbindung zu internationalen Konventionen
Der materielle Geltungsbereich dieses Vorschlags konzentriert sich hauptsächlich auf die Sorgfaltspflicht von Unternehmen und deckt die Menschenrechte und die negativen Auswirkungen auf die Umwelt ab, wie sie in ausgewählten internationalen Konventionen klar definiert sind. In den Listen im Anhang des Vorschlags werden die für die Richtlinie relevanten nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschenrechte aufgeführt, um die Verletzung von Rechten und Verboten, einschließlich der internationalen Menschenrechtsabkommen (Teil I Abschnitt 1) und der Konventionen über Menschenrechte und Grundfreiheiten (Teil I Abschnitt 2), sowie die Verletzung international anerkannter Ziele und Verbote, die in den Umweltkonventionen enthalten sind (Teil II), zu erfassen.
Interessanterweise bezieht sich der Anhang nicht nur auf die gängigsten internationalen Menschenrechtsstandards wie etwa die Internationale Charta der Rechte, die ILO-Kernkonventionen usw., sondern auch auf die grundlegende UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker. Ein weiterer interessanter Aspekt ist der Hinweis auf das Verbot der Vorenthaltung eines angemessenen existenzsichernden Lohns gemäß Artikel 7 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.
Die Rolle der Unternehmensleitung
Schauen wir uns nun die Rolle der Geschäftsleitungen an, wie sie in Artikel 25 und 26 des Vorschlags definiert ist. Gemäß Artikel 25 haben die Geschäftsführer:innen des Unternehmens eine Sorgfaltspflicht. Dazu gehört, die Folgen ihrer Entscheidungen für die Nachhaltigkeit zu berücksichtigen, einschließlich - wo zutreffend - der Menschenrechte, des Klimawandels und der Auswirkungen auf die Umwelt, sowohl kurz-, mittel- als auch langfristig.
Artikel 26 verpflichtet die Geschäftsführer:innen von EU-Unternehmen dazu, Prozesse und Maßnahmen zur unternehmerischen Nachhaltigkeitsprüfung einzurichten und deren Umsetzung zu überwachen, sowie die Unternehmensstrategie an die Sorgfaltspflicht anzupassen. Der Vorschlag sieht vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die sich mit Verletzungen der Pflichten von Geschäftsführer:innen befassen, auch für die Bestimmungen von Artikel 25 gelten.
Kontrolle und Durchsetzung
Mit dem Vorschlag wird auch ein System für seine Überwachung, Beaufsichtigung und Durchsetzung eingeführt. Jeder Mitgliedstaat muss eine Behörde einrichten, die für die Überwachung dieser neuen Vorschriften zuständig ist und im Falle von Verstößen Geldstrafen verhängen kann. Diese Aufsichtsbehörden können von sich aus Untersuchungen einleiten.
Doch auch natürliche und juristische Personen haben das Recht, bei diesen Aufsichtsbehörden begründete Bedenken anzumelden, wenn sie aufgrund objektiver Umstände Grund zu der Annahme haben, dass ein Unternehmen die zur Umsetzung der Richtlinie erlassenen nationalen Vorschriften nicht erfüllt. Die vorgesehenen Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Geldstrafen richten sich nach dem Umsatz des Unternehmens.
Darüber hinaus können Unternehmen auch für Schäden haftbar gemacht werden, wenn: (a) sie es versäumt haben, den Verpflichtungen zur Vermeidung potenzieller und zur Beendigung tatsächlicher negativer Auswirkungen nachzukommen und (b) als Folge dieses Versäumnisses eine negative Auswirkung zu einem Schaden geführt hat.
Vorbereitet und glaubwürdig sein
Der Anwendungsbereich der Richtlinie wird sich wahrscheinlich nicht wesentlich ändern, und wird in gewissem Maße von der jeweiligen nationalen Umsetzung abhängen. Die Richtlinie wird jedoch die derzeitige Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung (NFRD) und ihre vorgeschlagenen Änderungen (Vorschlag für CSRD) ergänzen, indem sie bestimmten Unternehmen eine substanzielle Sorgfaltspflicht auferlegt. Sie ergänzt zudem die EU-Taxonomie-Verordnung und andere aktuelle oder zukünftige EU-Gesetze, die Sorgfaltspflichten vorschreiben.
Die bestehenden internationalen Mindeststandards wie die UNGPs und die OECD-Leitlinien werden weiterhin als die an alle Unternehmen gestellten Erwartungen gelten.
Anstatt also abzuwarten und Tee zu trinken, sind wir der Meinung, dass die schon bestehenden Grundsätze der Sorgfaltspflicht das Herzstück für das Management der Menschenrechts- und Umweltauswirkungen bleiben sollten. Wir raten daher den Unternehmen, ihre Ausrichtung an den internationalen Mindeststandards weiter zu verbessern und zu verstärken. Dies nicht nur zur Vorbereitung auf die anstehenden gesetzlichen Entwicklungen, sondern auch, um ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten effektiv und glaubwürdig zu gestalten und die Erwartungen ihrer Stakeholder zu erfüllen.
Über den Autor
Thomas Trier Hansen ist Experte für verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln bei Ramboll Management Consulting und hat in den letzten zwei Jahrzehnten in mehr als 50 Ländern an verschiedenen Aspekten der Menschenrechte gearbeitet.

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