Ricardo Weigend Rodriguez, Sophie Tips, Patrick Moloney
23. Oktober 2023
Unterstützung auf dem Weg in eine kreislauforientierte Zukunft
Unternehmen, die den vorausschauenden Kreislaufgedanken verinnerlicht haben, können ihre Zukunft proaktiv gestalten, sich an veränderte Dynamiken anpassen und den Weg für eine erfolgreiche Transition zur Kreislaufwirtschaft ebnen.
Der Übergang zur Kreislaufwirtschaft nimmt an Fahrt auf, was nicht zuletzt daran liegt, dass das Verständis für die zahlreichen Vorteile dieser Wirtschaftsform größer wird. Aber auch Regulierung und Politik haben diese Dynamik begünstigt, vor allem durch den Green Deal der EU und den EU-Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft. Mit der Einführung eines eigenen europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung zur Kreislaufwirtschaft (ESRS 5) im Rahmen der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen ist die Kreislaufwirtschaft in der gesamten EU und darüber hinaus zu einem integralen Bestandteil der Transition zu einer emissionsarmen und grünen Wirtschaft geworden. Aus Investorensicht wird mit der im Juli 2023 verabschiedeten EU-Taxonomie für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft klar definiert, worum es sich bei einer Kreislaufinvestition handelt. Die ersten konkreten Auswirkungen des ESRS 5 und der EU-Taxonomie für die Kreislaufwirtschaft dürften im Jahr 2024 spürbar werden.
Eine Kreislaufwirtschaft ist ein nachhaltiges Wirtschaftsparadigma mit dem Ziel, das Wirtschaftswachstum vom Verbrauch endlicher Ressourcen zu entkoppeln. Im Wesentlichen geht es darum, die Nutzung und den Wert von Ressourcen zu optimieren und gleichzeitig Abfälle zu vermeiden.
Zu den vielen Vorteilen einer Kreislaufwirtschaft gehören:
- Nachhaltigeres Ressourcenmanagement
- Möglichst lange Nutzung vorhandener Ressourcen
- Erhalt der natürlichen Ressourcen für künftige Generationen
- Wichtiger Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasemissionen
„Ein vorausschauender Ansatz zu etablieren, ist eine strategische Entscheidung, die sich an der Vision und den Zielen eines Unternehmens orientieren sollte, um eine passgenaue Lösung für maximale Wirkung zu gewährleisten.“
Immer mehr Unternehmen setzen auf das Prinzip der Kreislaufwirtschaft, um Innovationen voranzutreiben und Lösungen für globalen Umweltprobleme zu finden. Doch dieser Ansatz ist nicht frei von Kritik. So verspricht die Kreislaufwirtschaft zwar höheren Wohlstand, einen größeren Nutzen für die Umwelt und soziale Verbesserungen im Vergleich zur traditionellen linearen Wirtschaft, allerdings erscheint diese Vision manchmal zu optimistisch. Es sollte daher berücksichtigt werden, dass der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft ein Wirtschaftsparadigma darstellt, das sich weiterentwickelt und mit inhärenten Herausforderungen verbunden ist. Potenzielle Kompromisse, Spannungen und Paradoxien, die im Laufe der Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft auftreten können, sollten daher möglichst frühzeitig untersucht werden, um diese Herausforderungen zu überwinden. An dieser Stelle kann das Konzept der vorausschauenden Planung eine wertvolle Rolle spielen.
Der vorausschauende Ansatz dient der systematischen Untersuchung möglicher, wahrscheinlicher und bevorzugter Zukunftsszenarien, einschließlich der jedem Szenario zugrundeliegenden Weltanschauungen und Mythen1.
Der vorausschauende Ansatz ist auch unter Bezeichnungen wie Zukunftsforschung, strategische Vorausschau oder Zukünfte bekannt. Das Thema wird seit über sechs Jahrzehnten erforscht und hat sich durch die Einbindung neuer Disziplinen wie Systemdenken, Soziologie, Management, Ökologie, Ethik, Philosophie und Planung weiterentwickelt. Der vorausschauende Ansatz basiert auf der Vorstellung, dass der Mensch in der Lage ist, eine erstrebenswerte Zukunft zu gestalten, statt passiv auf Ereignisse zu reagieren. Die Vorteile des vorausschauenden Ansatzes ergeben sich durch seine proaktive Natur, die das Potenzial bietet, durch bewusstes Handeln in der Gegenwart positiven Einfluss auf die Zukunft zu nehmen. Dementsprechend kann ein vorausschauender Ansatz Unternehmen dabei helfen, durch die Gestaltung vielfältiger Zukunftsszenarien widerstandsfähiger gegenüber künftigen Entwicklungen zu werden.
Wichtig ist, dass der vorrauschauende Ansatz nicht mit konventioneller Planung oder Prognose gleichgesetzt wird. Während es sich bei Prognosen um eine Berechnung oder Schätzung künftiger Ereignisse handelt, beinhaltet der vorausschauende Ansatz einen Aspekt der Ungewissheit. Sie umfasst also nicht nur das Wahrscheinliche, sondern auch das Ungewisse, um das Eintreten möglicher Ereignisse vorherzusehen.
Das Ziel des vorausschauenden Ansatzes besteht nicht darin, herauszufinden, wie die Zukunft aussehen wird. Das wäre in einem sich ständig verändernden, komplexen globalen Kontext nahezu unmöglich. Vielmehr geht es darum, die Frage zu beantworten, wie die Zukunft aussehen könnte. Mit einem vorausschauenden Ansatz richten Unternehmen ihre Entscheidungsfindung auf eine von ihnen bevorzugte Zukunft aus.
- Der strategisch- vorausschauendeAnsatz unterstützt die widerstandsfähigen Zukunft von Unternehmen systematisch.
- Vorausschau und Strategie sind komplementäre Bestandteile eines Prozesses, der den künftigen Erfolg eines Unternehmens zum Ziel hat.
- Der strategisch-vorausschauende Ansatz geht über den traditionellen Zeithorizont der strategischen Planung hinaus.
- Mit dem strategisch-vorausschauenden Ansatz werden keine Vorhersagen für die Zukunft getroffen, sondern plausible Zukunftsszenarien untersucht.
- Der strategisch-vorausschauende Ansatz konzentriert sich auf die Untersuchung von Zukunftsszenarien, bevor Auswirkungen auf die Gegenwart berücksichtigt werden.
- Mit dem strategisch-vorausschauenden Ansatz wird versucht, Gedankenmodelle und organisatorische Perspektiven zu hinterfragen.
Vorausschauende Methoden können einem Unternehmen helfen, zukünftige Risiken zu identifizieren und abzuschwächen. Gleichzeitig unterstützen sie die Entwicklung belastbarer Kreislaufstrategien. Durch die Analyse neuer Trends und schwacher Signale können Unternehmen ihre Strategien anpassen, was Entscheidungsprozessen verbessert.
Die Verbindung von Kreislaufwirtschaft und einem vorausschauenden Ansatz ermöglicht eine robuste Strategie, bei der die Herausforderungen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Dieser strategische Ansatz hilft Unternehmen, das Potenzial der Kreislaufwirtschaft zu nutzen, die gewünschte Zukunft anzusteuern und den Übergang zur Kreislaufwirtschaft mit neuen Instrumenten für eine strategische Perspektive auszustatten.
Mit Blick auf die Kreislaufwirtschaft sind proaktive Strategien von entscheidender Bedeutung. Nachfolgend wird beschrieben, wie ein vorausschauende Ansatz zukunftsorientierte Kreislaufkonzepte vorantreiben kann:
- Antizipieren von technologischen Fortschritten: Vorausschauendes Denken und Handeln hilft Unternehmen, technologischen Fortschritten zu antipizieren. Durch die Untersuchung verschiedener Zukunftsszenarien können neue Technologien identifiziert werden, die das Potenzial haben, die Prozesse innerhalb der Kreislaufwirtschaft zu optimieren. Diese vorausschauende Perspektive sorgt dafür, dass Unternehmen Innovationen proaktiv in ihre Kreislaufstrategien integrieren können, um die Entscheidungsfindung durch verschiedene Perspektiven zu verbessern. Ein gutes Beispiel dafür ist die Batterieindustrie, die in den kommenden Jahren exponentiell wachsen soll. Allerdings sind die Ressourcen, auf die diese Branche heute angewiesen ist, unter Umständen morgen nicht mehr vorhanden. Unternehmen, die mögliche und wahrscheinliche Zukunftsszenarien (von denen keine die bevorzugte Zukunft sein wird) untersuchen, können vorhersehen, welche Rohstoffe noch knapper werden und welche sich durch technologische Fortschritte ersetzen lassen. Auf dieser Grundlage richten sie ihre Forschung und Entwicklung neu aus, um weiterhin Batterien herstellen zu können und ihre Erfolgswahrscheinlichkeit in möglichen Zukunftsszenarien zu erhöhen.
- Szenarioplanung für die Strategieentwicklung: Der strategisch-vorausschauende Ansatz spielt eine zentrale Rolle bei der Gestaltung wirksamer Strategien und Regeln für die Kreislaufwirtschaft. Dazu gehört die Entwicklung von Szenarien auf der Grundlage verschiedener zukünftiger Entwicklungen, aus denen Entscheidungsträger:innen anpassungsfähige Strategien ableiten können, die das Prinzip der Kreislaufwirtschaft untermauern. Wenn diese Strategien und Maßnahmen flexibel ausgelegt werden, ist es einfacher, auf neue Herausforderungen und unbeabsichtigte Folgen zu reagieren. Eine vorausschauende Szenarioplanung stellt sicher, dass die Rahmenbedingungen auf die dynamischen Natur der Kreislaufwirtschaft ausgelegt sind. Sie erleichtert organisatorische Maßnahmen mit einer einheitlichen Vision, Strategie und gemeinsamen Zielen.
- Verbrauchertrends und Verhaltensänderungen: Der vorausschauende Ansatz ist ein wertvolles Instrument, um veränderte Präferenzen und Verhaltensweisen von Verbraucher:innen in der Kreislaufwirtschaft zu verstehen. Ein Trend ist ein neuartiger Ausdruck eines dauerhaften Wandels innerhalb einer Branche, des öffentlichen Sektors, der Gesellschaft oder unseres Umgangs miteinander. Durch das Antizipieren von Trends, wie die gestiegende Bereitschaft der Verbraucher:innenfür auf das Kreislaufprinzip basierenden Konsum, können Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen auf neu entstehende Anforderungen abstimmen. So bleiben die Unternehmen flexibel und können auf veränderte Verbrauchererwartungen reagieren. Außerhalb hilft ihnen der vorausschauende Ansatz, sich an mögliche Zukunftsszenarien anzupassen und gezielte Investitionsentscheidungen zu treffen, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen.
- Widerstandsfähige Lieferketten und Ressourcensicherheit: Der vorausschauende Ansatz kann die Widerstandsfähigkeit von Lieferketten und die Ressourcensicherheit verbessern. Entsprechende Ansätze helfen Unternehmen, potenzielle Störungen bei der Materialverfügbarkeit und -beschaffung zu antizipieren. Durch die proaktive Identifizierung von Ressourcenknappheit und geopolitischen Risiken können sie ihre Lieferquellen diversifizieren, in alternative Rohstoffe investieren und Produkte mit besseren Eigenschaften für eine zweite Nutzung nach dem Ende der Lebensdauer entwickeln. Vorausschauende Erkenntnisse ermöglichen somit strategische Maßnahmen, um Schwachstellen in der Lieferkette frühzeitig zu erkennen und zu beseitigen und die Prozesse widerstandsfähiger zu machen.
- Innovation, Zusammenarbeit und Partnerschaften: Auch die sektorübergreifende Zusammenarbeit wird durch vorausschauende Verfahren erleichtert. Vorausschauende Initiativen fördern Innovation und Ideenaustausch, indem sie Expert:innen aus verschiedenen Bereichen zusammenbringen. Diese Zusammenarbeit kann die Entwicklung von sektorübergreifenden Initiativen, neuen kreislauffähigen Geschäftsmodellen, Designpraktiken und gemeinsamen Projekten ermöglichen und so den Übergang zu einer erfolgreichen Kreislaufwirtschaft beschleunigen. Durch vorausschauende Innovation und Zusammenarbeit innerhalb eines Unternehmens oder einer Wertschöpfungskette ist es möglich, kollektives Fachwissen zu nutzen und den Kreislaufgedanken effektiver voranzutreiben. Dadurch werden wichtige Voraussetzungen geschaffen, um die Probleme von morgen zu antizipieren, sich darauf vorzubereiten und bereits heute entsprechend zu handeln. So muss sich beispielsweise die Bauindustrie auf eine Zukunft vorbereiten, in der der Anteil wiederverwerteter, wiederaufbereiteter oder recycelter Materialien in Gebäuden deutlich zunimmt. Zusammenarbeit und Partnerschaften sind wichtig, um die unvermeidlichen Anforderungen zu verstehen und vorherzusagen, wann und wie sie zum Tragen kommen könnten. Unternehmen, die heute zusammenarbeiten, um diese Zukunft zu gestalten, können gemeinsam Lösungen zur Vorbereitung auf dieses Szenario entwickeln und entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Eine universelleLösung ist allerdings nicht geeignet, um das Potenzial vorausschauender Strategien zu nutzen. Methoden, die auf dem vorausschauenden Ansatz basieren, sollten sich immer an den Bedürfnissen und Zielen eines Unternehmens orientieren. Ob es darum geht, technologische Fortschritte zu antizipieren, robuste Strategien zu formulieren, neue Verbrauchertrends zu verstehen, die Widerstandsfähigkeit der Lieferkette zu verbessern oder Innovationen durch Partnerschaften zu fördern: Der vorausschauende Ansatz bietet ein maßgeschneidertes Konzept für den Umgang mit individuellen Herausforderungen und Chancen.
Die Kreislaufwirtschaft stellt einen Weg zu nachhaltigem Wachstum dar, auf dem allerdings zahlreiche Hindernisse überwunden werden müssen. Besonders wichtig dabei sind eine kritische Prüfung, proaktives Denken und Offenheit gegenüber alternativen Zukunftsszenarien. Ein vorausschauender Ansatz kann wertvolle Einblicke und Instrumente zur Bewältigung der komplexen Herausforderungen beim Wandel in Richtung Kreislaufwirtschaft bieten.
Kreislaufstrategien müssen über den Horizont hinausblicken. Sie müssen aus der Geschichte lernen, den Druck der Gegenwart verstehen und vor allem zukünftige Trends vorhersehen. In der Kreislaufwirtschaft kann der vorausschauende Ansatz Unternehmen beim Aufbau einer widerstandsfähigeren, nachhaltigeren und erfolgreicheren Zukunft unterstützen, indem sie unterschiedliche Perspektiven miteinbezieht und gezielt Einfluss auf die Gegenwart nimmt, um Kurs auf die gewünschte Zukunft zu nehmen.
Es liegt an den Unternehmen, eine erstrebenswerte Kreislaufzukunft zu gestalten, anstatt nur passiv auf Ereignisse zu reagieren!
Dieser Artikel ist eine von drei Veröffentlichungen zum Thema vorausschauende Kreislaufwirtschaft. Im nächsten Artikel geht es um die Anwendung des „Zukunftsdreiecks“ auf die Bauindustrie sowie um das Gewicht der Geschichte, den Druck der Gegenwart und die Anziehungskraft der Zukunft.
[1] Inayatullah, S. (2013). Futures studies: theories and methods. There's a future: Visions for a Better World, BBVA, Madrid, 36–66.
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Patrick Moloney
Director, Strategic Sustainability Consulting
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