Nicole Vaynshtok

18. Mai 2023

Wie Sie qualitativ hochwertige Daten für Ihr Scope-3-Emissionsinventar erhebe

Die Beauftragung von Lieferanten mit der Erhebung von Scope-3-Daten ist oft ein komplexes Unterfangen. Der Wert eines Scope-3-Emissionsinventars ist nur so gut wie die zugrundeliegenden Daten, was die Erhebung zusätzlich erschwert. In diesem Artikel stellen wir einige Instrumente vor, die zu Beginn sehr hilfreich sein können.

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Scope-3-Emissionsinventare sind heute unverzichtbar für Unternehmen, die sinnvolle Maßnahmen zur Reduzierung der Umweltauswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit ergreifen wollen. In den USA könnte die Offenlegung dieser Daten nach den vorgeschlagenen Anforderungen der SEC (U.S. Securities and Exchange Commission) verpflichtend werden, wenn börsennotierte Unternehmen Scope-3-Emissionen verursachen, die als wesentlich gelten, für Investor:innen von Bedeutung sind oder Teil ihrer Nachhaltigkeitszielsetzung sind.

Der Wert eines Inventars ist immer nur so gut wie die zugrundeliegenden Daten, und die Erfassung von Scope-3-Daten gleicht einer Mammutaufgabe. Dazu wird mit verschiedenen Lieferanten zusammengearbeitet, die unter Umständen noch keine Erfahrung mit der Dokumentation solcher Daten haben oder skeptisch sind, ob sich der zusätzliche Aufwand lohnt. Außerdem kann es herausfordernd sein, den Überblick über die benötigten Daten zu behalten und ausfindig zu machen.

Trotz dieser Herausforderungen ist die Erfassung von Scope-3-Daten unerlässlich, wenn Sie die Umweltauswirkungen Ihrer Wertschöpfungsketten reduzieren und Ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen wollen. Ungenaue oder unvollständige Daten können die Ergebnisse Ihres Inventars beeinflussen, wodurch tatsächliche Emissions-Hotspots möglicherweise nicht erkannt werden. Damit wird es schwieriger, strategische Bereiche mit besonders hohem Reduktionspotenzial zu ermitteln.

Mit diesem Artikel möchten wir Ihnen zu Beginn Ihrer Scope-3-Analysen einige Hilfestellungen an die Hand geben und zeigen, wie Sie Lieferanten einbinden und den Prozess der Datenerfassung optimal steuern.

Mit Prozesslandkarten einen Überblick über die Wertschöpfungskette verschaffen

Sie haben gerade begonnen, Ihre Wertschöpfungskette für die Scope-3-Quantifizierung unter die Lupe zu nehmen? Dann sind Sie wahrscheinlich überrascht, wie viele Stakeholder daran beteiligt sind.

Um potenzielle Emissionsquellen zu identifizieren, die in Ihrem Inventar zu erfassen sind, sollten Sie zunächst Prozesslandkarten (Beispiel siehe unten) erstellen, bevor Sie sich an Ihre Datenanforderungsliste machen. Dies kann die Kommunikation mit Ihren Stakeholdern erleichtern – lassen Sie sich beim Erstellen der Prozesslandkarte helfen. Fordern Sie die einzelnen Akteure auf, den Warenfluss vor bzw. nach dem Eingang in Ihrem Unternehmen zu beschreiben, ebenso wie alle Stakeholder, mit denen ihre Abteilungen zusammenarbeiten.

Die erstellten Prozesslandkarten können dann als Checkliste für Datenanforderungen dienen, die Sie an die Stakeholder richten:

  • Haben Sie von jedem auf der Karte vermerkten Lieferanten Daten angefordert?
  • Haben Sie Transportdaten für jede auf der Karte genannte Strecke erhalten?
  • Haben Sie alle potenziellen Endnutzer:innen Ihrer Produkte erfasst und berücksichtigt, wie diese am Ende ihrer Lebensdauer behandelt werden könnten (z. B. Recycling, Deponierung, Wiederverwendung)?

Nach der Erstellung der Prozesslandkarten werden Sie über ein viel klareres Verständnis der Stellschrauben Ihres Geschäfts verfügen und die Gewissheit haben, dass Sie alle potenziellen Emissionsquellen in Ihrem Scope-3-Emissionsinventar berücksichtigen.

Beispiel für eine Prozesslandkarte einer Wertschöpfungskette, die dabei helfen kann, alle Emissionsquellen für ein Scope-3-Emissionsinventar zu ermitteln
Die richtigen Personen für Datenanforderungen bestimmen

Wenn Sie in Erfahrung gebracht haben, welche Daten Sie benötigen, sollten Sie die richtigen Personen ermitteln, von denen diese Daten angefordert werden können. Dieser Schritt kann sehr zeitaufwändig sein.

Manchmal sind die benötigten Informationen bereits intern im Unternehmen vorhanden. Wenden Sie sich also zunächst an alle Teammitglieder, die eng mit Lieferanten und Kunden zusammenarbeiten – zum Beispiel Kundenbetreuer:innen für Daten über die Endnutzung der Produkte, das Beschaffungsteam für eingekaufte Waren und Dienstleistungen oder Logistikexpert:innen für Daten rund um den Transport.

Es ist aber auch wahrscheinlich, dass Sie sich direkt an Ihre Lieferanten wenden müssen, um zusätzliche Daten über deren Abläufe zu erhalten. Stellen Sie sich darauf ein, dass Sie eine Weile suchen müssen, bis Sie die richtige Person im Lieferantenunternehmen gefunden haben, die über die benötigten Datensätze verfügt. Das gilt vor allem dann, wenn Ihre Lieferanten weniger Erfahrung mit Treibhausgasinventaren haben oder über keine robusten Datenmanagementsysteme verfügen.

Sobald Sie die richtigen Ansprechpersonen ermittelt haben, sollten Sie herausfinden, wer für die einzelnen Datenpunkte zuständig ist. So wird der Prozess rund um die Datenerfassung im kommenden Jahr einfacher für alle Beteiligten. So könnte zum Beispiel Jonas Müller von der Stoffhandel GmbH Auskunft über die jährlich eingekaufte Baumwollmenge geben, während Laura Dölling aus dem internen Logistikteam die Kilometerzahl für den Transport der Baumwolle zwischen der Stoffhandel GmbH und dem Bekleidungshersteller kennt.

Da dieser Schritt der Datenerhebung lange dauern kann, sollten Sie möglichst frühzeitig auf Ihre Lieferanten zugehen. Um vollständige Daten erfassen zu können, muss das entsprechende Jahr (in der Regel das Vorjahr, da Sie das Inventar im darauffolgenden Jahr erstellen) abgeschlossen sein. Eine gute Faustregel könnte also darin bestehen, die Stakeholder einige Monate im Voraus zu kontaktieren, um die Datenanforderung einzuleiten, und dann im Januar noch einmal nachzuhaken, um die Daten für das gesamte Jahr zu erhalten. Je nachdem, wie viele Daten von den Lieferanten benötigt werden und was bereits intern vorhanden ist, kann das Timing variieren.

Datenanforderungen an Ihre Lieferanten richten

Sobald Sie die richtigen Stakeholder ausfindig gemacht haben, sollten Sie Ihre Datenanforderung so formulieren, dass die Bedeutung des entwickelten Inventars und der Daten des Lieferanten in diesem Prozess deutlich werden. Stellen Sie klar, dass die Nachhaltigkeit für Ihr Unternehmen Priorität hat und sich auf künftige Geschäftsentscheidungen auswirken kann.

Bedenken Sie, dass Ihre Lieferanten und Kolleg:innen, die nicht in einer Nachhaltigkeitsfunktion tätig sind, möglicherweise nicht mit Scope-3-Emissionen vertraut sind. Wer den Nutzen der Bestandsaufnahme nicht begreift, ist unter Umständen nicht motiviert genug, die Daten schnell bereitzustellen, oder kann die Erwartungen dahinter nicht richtig nachvollziehen.

Wenn Sie hervorheben, wie sich das Inventar auf die Nachhaltigkeitsstrategie Ihres Unternehmens und potenziell auch auf die Lieferantenbeziehung auswirken wird (z. B. wenn die Ergebnisse dazu führen, dass bei der Lieferantenauswahl strengere Nachhaltigkeitskriterien gelten müssen), sind Ihre Stakeholder besser informiert und werden wahrscheinlich von Anfang an hochwertigere Daten zur Verfügung stellen. Außerdem dürften sie motiviert sein, die Datenerfassung zu beschleunigen und eventuell auch ihre eigenen Datenmanagementsysteme zu verbessern. Erinnern Sie daran, dass künftig wahrscheinlich jedes Jahr eine ähnliche Datenanforderung auf sie zukommen wird. Nach Möglichkeit können Sie auch anbieten, gemeinsam mit den Lieferanten ein Datenmanagementsystem zu entwickeln, das für beide Seiten funktioniert.

Den Nachhaltigkeitsreifegrad des Lieferanten beurteilen

Versuchen Sie, den Reifegrad des Lieferanten in Bezug auf die Nachhaltigkeit seines Geschäfts einzuschätzen. Hat das Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht oder haben Sie bereits Nachhaltigkeitsinitiativen mit dem Lieferanten diskutiert? Entscheiden Sie dann je nachdem, wie vertraut der Lieferant mit Scope-3-Emissionen ist, welche Hintergrundinformationen Sie bereitstellen möchten.

Lieferanten mit höherem Reifegrad verfügen möglicherweise schon über ein Scope-1- und Scope-2-Emissionsinventar für ihr Unternehmen. Das kann hilfreich sein, um den Anteil der Emissionen des Lieferanten, die mit Ihrem Unternehmen in Verbindung stehen und somit in Ihr Scope-3-Emissionsinventar gehören, abzuschätzen. Dazu zählen beispielsweise Emissionen im Zusammenhang mit der Herstellung der Produkte, die Ihr Unternehmen von diesem Lieferanten bezieht. In Kapitel 8 des GHG Protocol Corporate Value Chain (Scope 3) Accounting and Reporting Standard erfahren Sie mehr darüber, wie Sie Ihre Scope-3-Emissionen anhand der Scope-1- und Scope-2-Emissionsinventare Ihrer Lieferanten schätzen können.

Nachfragen, ob die Lieferanten LCAs durchgeführt haben

Wenn Ihre Lieferanten einen höheren Reifegrad in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit aufweisen, können Sie nachfragen, ob Lebenszyklusbeurteilungen (LCAs) für die von Ihrem Unternehmen bezogenen Produkte oder Dienstleistungen durchgeführt wurden. In diesem Fall kann eine LCA hilfreiche Emissionsdaten liefern (inklusive Emissionsfaktor), die nicht nur die Branche insgesamt betreffen, sondern besser zu Ihrer Situation passen, da hier die Emissionen quantifiziert wurden, die mit dem konkreten Produkt des Lieferanten verbunden sind. Gleichzeitig ersparen Sie sich Nachforschungen, um einen durchschnittlichen Emissionsfaktor für die Branche zu ermitteln.

Beachten Sie allerdings, dass hochwertige Durchschnittsdaten (oder Sekundärdaten) der Branche immer noch besser sind als minderwertige Daten (Primärdaten) Ihrer Lieferanten. Falls Ihre Lieferanten eine eigene LCA zur Verfügung stellen, sollten Sie die Ergebnisse auf Zuverlässigkeit und Vollständigkeit prüfen, bevor Sie darauf basierend die Emissionen quantifizieren. In Tabelle 7.5 des GHG Protocol Standard sind die Vor- und Nachteile von Primärdaten und Sekundärdaten zusammengefasst.

Einen Inventory Management Plan (IMP) erstellen

Die Frage, welche Daten von wem angefordert werden müssen und was mit diesen Daten geschehen soll, kann eine Herausforderung sein, und Sie werden diesen Prozess nicht nur einmal durchlaufen. Es lohnt sich daher, ein formelles und wiederholbares Verfahren für die Datenerfassung zu entwickeln, damit alle an der Erstellung des Inventars für das kommende Jahr Beteiligten möglichst effizient vorgehen können.

Hier kommt der Inventory Management Plan (IMP) ins Spiel – ein internes Dokument, das den Prozess eines Unternehmens für die Entwicklung eines THG-Inventars beschreibt. Ein IMP kann helfen, die für die verschiedenen Scope-3-Kategorien benötigten Daten, die richtigen Ansprechpartner:innen zur Erhebung der einzelnen Daten, den Umgang mit Hindernissen auf dem Weg und schließlich die Art und Weise in Erfahrung zu bringen, wie diese Daten zur Quantifizierung der Emissionen in Ihrer Wertschöpfungskette genutzt werden können. Wenn Sie einer einheitlichen Methodik folgen, die auf den im Plan enthaltenen Daten basiert, können Sie die Ergebnisse von Jahr zu Jahr genau vergleichen und externe Anforderungen an die Berichterstattung besser erfüllen.

Achten Sie darauf, Schätzungen, Annahmen oder Ausschlüsse in Ihrem IMP klar zu dokumentieren und zu begründen. So laufen Sie nicht Gefahr, dass Ihre Arbeit an vorherigen Inventaren in Frage gestellt wird, und haben gleichzeitig eine Referenz für die kommenden Jahre.

Die nächsten Schritte

Während Sie auf die angeforderten Daten warten, können Sie sich bereits auf die Quantifizierung der Emissionen vorbereiten, indem Sie festlegen, welche Berechnungsmethoden für die einzelnen Scope-3-Kategorien verwendet werden sollen (siehe GHG Protocol Technical Guidance for Calculating Scope 3 Emissions). Überprüfen Sie, ob die eingehenden Daten die Anforderungen der Berechnungsmethode erfüllen, und halten Sie bei Bedarf nochmals Rücksprache mit den Stakeholdern. Sobald Sie alle Daten zur Hand haben, können Sie Ihr Scope-3-Emissionsinventar berechnen.

Eine gut organisierte Datenerfassung ist die Grundlage für eine erfolgreiche Erstellung Ihres Scope-3-Emissionsinventars, selbst wenn Sie den Prozess zum ersten Mal durchlaufen. Letztendlich wird Ihnen das Scope-3-Emissionsinventar helfen, Maßnahmen zur Reduzierung Ihrer Umweltauswirkungen zu bestimmen und entsprechende Erwartungen an eine bessere Nachhaltigkeitsleistung Ihrer Lieferanten zu stellen. Die jährliche Inventarberechnung bietet Ihnen die Möglichkeit, die Leistung Ihrer Nachhaltigkeitsstrategie anhand der von Ihrem Unternehmen festgelegten Ziele zu überwachen.

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  • Nicole Vaynshtok

    Consultant

    Nicole Vaynshtok
  • Corey Barnes

    Head of Strategic Sustainability Consulting US

    Corey Barnes

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