24. Februar 2020

„Das Projekt ‚Smart City‘ kann nur durch Beteiligung aller relevanten Akteure gelingen“

Die Ergebnisse des D21-Digital-Index zeigen, die Menschen haben hohe Erwartungen an die Digitalisierung. Im Interview erklärt Digitalexpertin Claudia Krahe, was das für Städte bedeutet und wie der Weg zur Smart City gelingen kann.

Der neue D21-Digital-Index ist erschienen. Er erhebt wie gewohnt den Digitalisierungsgrad der Gesellschaft. Mit Blick auf die föderal aufgestellte Bundesrepublik mit ihren vielen Metropolregionen: Welche Herausforderungen, aber auch Chancen ergeben sich für Kommunen?

Claudia Krahe: Das Potenzial für Städte ist groß. Denn der D21-Digital-Index zeigt, die digitalaffinsten Menschen leben sowohl in den deutschen Metropolen, als auch in den mittelgroßen Städten bis ca. 500.000 Einwohner. Angesichts des weltweiten Megatrends der Urbanisierung ist das eine große Chance für Städte, wenn sie jetzt mutige Weichen stellen. Weichen Richtung Smart City, mit einer gezielten Digitalisierungsstrategie. Dies ist möglich und sinnvoll zugleich. Denn die Studie zeigt auch, dass die Bürgerinnen und Bürger sehr starke Veränderungen durch die Digitalisierung just in den Lebensbereichen erwarten, die zentral durch Kommunen und Städte beeinflusst werden – bspw. in den Bereichen des Gesundheitswesens, der Mobilität oder der öffentlichen Verwaltung. Und von entsprechenden Veränderungen in diesen Bereichen versprechen sich die Bürgerinnen und Bürger besonders viele positive Vorteile für sich.

Das klingt ja erst einmal positiv. Aber wie verwirklicht man als Stadt solche Pläne? Welche Hindernisse gibt es zu überwinden?

Claudia Krahe: Die Digitalisierung von Städten und Gemeinden ist eine hoch komplexe Angelegenheit. Denn eins bedingt das andere. Eine Digitalisierungsstrategie für die öffentliche Verwaltung ist in sich bereits ein großes Projekt, sollte jedoch optimalerweise immer in Bezug gesetzt sein zu Digitalisierungsprozessen in Bereichen der Mobilität, Pflege oder Bildung. Nur so kann das Potenzial von Smart Cities voll zur Entfaltung kommen, das nutzerzentriert auf den ständigen Wandel neuer Möglichkeiten und Bedarfe in der Gesellschaft ausgerichtet ist. Notwendig dafür ist ein Masterplan mit einer agilen, prozessorientierten Herangehensweise. Viele öffentliche Verwaltungsstrukturen sind darauf nicht ausgelegt. Nachholbedarf besteht hier vor allem bei der referatsübergreifenden Zusammenarbeit sowie der Aus- und Fortbildung. Das Gelingen eines solch umfassenden Projekts hängt daher von drei Faktoren ab: Erstens: Erarbeiten einer Dachstrategie, die von den obersten Stellen in Verwaltung, Kommune oder Stadtrat unterstützt wird. Zum Zweiten müssen die Perspektiven der Bürgerinnen und Bürger nicht nur auf dem Reisbrett antizipiert, sondern aktiv berücksichtigt werden. Dazu eignen sich Beteiligungsformate, bei denen interessierte oder betroffene Personen ihre Lage schildern sowie Lösungen vorschlagen können. Und drittens braucht es zwingend Öffentlichkeitsarbeit nach außen und eine intensive Begleitung des Prozesses nach innen, um allen Betroffenen die Potenziale der Digitalisierung klar zu machen. Die Smart City Charta bietet hier eine sehr gute Grundlage für unseren Ansatz und bringt die wichtigsten Gelingensfaktoren auf den Punkt.

Wo gibt es gute Beispiele aus der Praxis? Was sind die viel zitierten „Lessons Learned“?

Claudia Krahe: Aktuell zeigt unser Projekt in Nürnberg eindrucksvoll, wie mit Hilfe einer Digitalisierungsstrategie nachhaltig die Weichen für eine wirtschaftlich positive Zukunft gestellt werden können. Auch wenn es wenig überrascht: Ein wesentlicher Erfolgstreiber liegt darin, das Thema auf höchster Ebene – bei Städten also beim Oberbürgermeister – anzusiedeln. Dies sorgt für die nötige Sichtbarkeit und Ressourcen. Akzeptanz und damit Wirkung entstehen jedoch an anderer Stelle. Nämlich in der Breite und im Dialog. Wir schaffen es mit Hilfe sehr wirksamer Methoden, viele Abteilungen aktiv miteinzubeziehen. Das ist sowohl beim Nürnberger Projekt als auch bei anderen Mandaten eine essenzielle Stellschraube für den Erfolg, die allen Beteiligten immer viel abverlangt. Wichtig ist, die Vision einer Smart City zum gemeinsamen Ziel zu machen. Am Ende lohnt es sich für alle Seiten, die Herausforderungen gemeinsam zu meistern. Bei alldem sollten die Bürgerinnen und Bürger als Endnutzer auch in einer Smart City im Fokus allen Handelns stehen. Die agile Ausrichtung am gesellschaftlichen Bedarf bietet dem Verwaltungsapparat dabei die große Chance, besser auf die Veränderungen durch die Digitalisierung zu reagieren als die bürokratischen Hürden dies bisher zugelassen haben.

Ramboll ist Unterstützer des D21-Digital-Index. Lesen Sie alle Ergebnisse auf der Website der Initiative D21.