Julia Romero

20. Dezember 2023

Neue Tramstrecke bringt Mobilitätswende in Berlin voran

Nach der bereits in Betrieb gegangenen Strecke der M10 vom Hauptbahnhof bis zur Turmstraße planen Rambolls Expert:innen für Verkehrsinfrastruktur im Kompetenzzentrum nun einen weiteren Streckenabschnitt bis zum Bahnhof Jungfernheide.  Anne-Catrin Norkauer, die die Abteilung Light Rail Infrastructure and Systems bei Ramboll und auch dieses Projekt leitet, spricht im Interview über die Besonderheiten und Vorteile der Tramerweiterung sowohl für die Anwohner als auch für die Berliner Verkehrsinfrastruktur.  

Visualisierung der Tramstrecke M10 Berlin Jungfernheide
Q1: Anne-Catrin, die neue Tramstrecke von der Haltestelle Turmstrasse bis Jungfernheide wird etwa 4 Kilometer lang sein. Was genau plant ihr hier und welche Auswirkungen hat die Erweiterung für die Verkehrsinfrastruktur, den Straßenraum und für die Büger:innen?
Anne-Catrin: Wir planen auf diesen vier Kilometern insgesamt neun Haltestellen, jeweils im Abstand von circa 400 Metern, womit wir die optimale Erschließungswirkung erzielen. Das wird das heutige Straßenbild erstmal erheblich verändern, aber auch nachhaltig aufwerten. Denn das Projekt beinhaltet nicht nur die Planung der Gleise und der Haltestellen, sondern umfasst die Neugestaltung des gesamten Straßenkorridors von Hauskante zu Hauskante. Wir planen überall, wo es möglich ist, eine räumliche Trennung von Bahntrasse, Auto- und Radverkehr, das braucht natürlich Platz. Wir achten jedoch darauf, dass wir bestehende Grünflächen so wenig wie möglich umgestalten und wenn es unvermeidlich ist, dann an anderer Stelle Ausgleich zu schaffen.

„Unser Straßenbahnprojekt umfasst die Neugestaltung des gesamten Straßenkorridors und wird das Stadtbild im Sinne der Verkehrsträger Straßenbahn, Rad- und Fußverkehr nachhaltig verändern.“

Anne-Catrin Norkauer
Department Lead Light Rail Infrastructure & Systems

Q2: Wie wird die neue Linie in das bestehende ÖPNV-Netz eingebunden? Welche verkehrstechnischen Vorteile bietet die Erweiterung?
Anne-Catrin: Bisher endet die M10 an der U-Bahnhaltestelle Turmstraße. Mit der Erweiterung wird sie bis zum Bahnhof Jungfernheide in Charlottenburg weitergeführt. Durch die Verknüpfung von U-Bahn und S-Bahn wird die Nutzung des ÖPNV für alle komfortabler und schneller. Die neue Verbindung verbessert die Anbindung an den Berliner Hauptbahnhof und stärkt die Ost-West-Achse, auf der wir ein hohes Verkehrsaufkommen haben. Bisher verkehrt auf der Strecke bis zum Bahnhof Jungfernheide ein Bus. Im Vergleich zu diesem wird die Straßenbahn, für die ein Fünf-Minuten-Takt vorgesehen ist, eine deutlich effizientere Mobilität bieten. Das heißt, die Tram wird nicht nur schneller sein, sondern auch Platz für fast die dreifache Menge an Personen bieten.
Auch für Radfahrer:innen und Füßgänger:innen bringt das Projekt Vorteile: Durch die bauliche Trennung des Radverkehrs in den meisten Streckenabschnitten machen wir das Radfahren sicherer und Fußgänger:innen profitieren von der Aufwertung der Seitenräume, die Teil des Projekts sind. So erfüllen wir die Maßstäbe an unsere Arbeit: Wir gestalten einen sichereren, nachhaltigen und nutzerfreundlicheren Stadtverkehr für alle und unterstützen damit die Entwicklung hin zu einer lebenswerteren Stadt.
Perspektivisch ist auch eine Erweiterung bis zum ehemaligen Flughafen Tegel vorgesehen. Auf diesem entstehen derzeit im Rahmen des Projekts Urban Tech Republic auf 200 ha ein Forschungs-, Innovations-, und Technologiecampus. Auch dieser Campus soll dann mit einer Tram gut angebunden werden.
Q3: Nach dem Ausrufen des Klimanotstandes 2019 und der Gründung des Berliner Klimabürger:innenrates stimmten die Berliner:innen im März 2023 in einem Volksentscheid dafür, dass die deutsche Hauptstadt bereits bis 2030 klimaneutral werden soll. Inwiefern trägt euer Projekt zum Erreichen dieses Ziels bei? Welche ökologischen Vorteile ergeben sich?
Anne-Catrin: Unser Projekt schließt eine Lücke in der urbanen Verkehrsinfrastruktur und gibt allen Bürger:innen Zugang zu klimafreundlicher Mobilität. Das Berliner Mobilitätsgesetz schreibt vor, dass der sogenannte Umweltverbund aus ÖPNV, Rad- und Fußverkehr bei der Verkehrsplanung priorisiert werden muss. Die anderen Verkehrsarten, also Wirtschafts-, PKW- und ruhender Verkehr müssen sich dem unterordnen. Das haben wir bei der Planung befolgt, unsere vier Prioritäten für die Gestaltung der Erweiterung waren: die Fahrgäste, die Umwelt, die Sicherheit und Schnelligkeit des Betriebs. Indem wir diese Maßstäbe ansetzen und in unserer Planung konsequent verfolgen machen wir den Umweltverbund insgesamt attraktiver und tragen zur Reduzierung von PKW-Verkehr bei.
Daneben stimmen wir gerade die Gestaltung der Gleise mit dem Auftraggeber ab. Wir schlagen Grüngleise in veränderter Bauweise vor, was viele ökologische Vorteile für das Projekt bringen würde: Die Verwendung von Beton wird reduziert und gleichzeitig kann das Gras im Gleisbereich das Oberflächenwasser besser aufnehmen und speichern. Das reduziert den CO2-Fußabdruck und verbessert das Mikroklima. Mit einem eigenen Tool können wir die voraussichtliche CO2-Reduzierung durch die Maßnahmen gut errechnen so dem Kunden eine fundierte Entscheidungsgrundlage bieten. Zudem ist es für uns selbstverständlich, dass bei den vorgeschlagenen Baumaßnahmen möglichst alle Bäume erhalten bleiben bzw. diejenigen ersetzt werden, die eventuell weichen müssen.
Q4: Das klingt nach einem spannenden Vorhaben und nach einer großartigen Chance für mehr nachhaltige Mobilität in Berlin. Interessant wäre noch zu erfahren: Warum hat sich der Berliner Senat und der BVG für Ramboll als Projektpartner entschieden? Wie geht es nun weiter?
Anne-Catrin: Wir haben im Bieterwettbewerb und durch unsere Präsentation der Herangehensweise an das Projekt bewiesen, dass wir die passenden Kompetenzen und Qualifikationen besitzen. Das Angebot mit unserer vorgeschlagenen Vorgehensweise und unserer Referenzen hat die Kunden inhaltlich und preislich überzeugt. Zudem war der Kunde in diesem Fall offen für ein internationales Projektteam und hat die Vorteile aus unserem globalen Ansatz in der Verkehrsplanung gesehen.
Wie geht es weiter? Die Vorplanung für den Berliner Senat haben wir bereits abgeschlossen. Hierbei haben wir zunächst den Verkehr auf der Strecke simuliert und für jeden Abschnitt verschiedene Varianten diskutiert – immer vor dem Hintergrund des schon erwähnten Berliner Mobilitätsgesetzes. Gerade arbeiten wir an der baulichen Festlegung der Lage und der Höhe der Gleise. Bei diesem Schritt beziehen wir auch die Bezirke mit ein, beispielsweise, um den Wirtschaftsverkehr wie die Belieferung von Läden besser planen zu können. Nachdem wir diese Planung fertig gestellt haben, wird die Planfeststellung eingereicht, bei der auch die Bewohner:innen die Unterlagen einsehen und ihre Rückmeldung geben können.
Das Planfeststellungsverfahren wird in 2024 eingeleitet werden. Sobald die Baugenehmigung für das Vorhaben vorliegt, rechnet die BVG mit einer Bauzeit von rund zwei Jahren.

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  • Anne-Catrin Norkauer

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  • Nils Jänig

    Director

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    Nils Jänig