Søren Brøndum, Lars Ostenfeld Riemann

31. Januar 2022

Der Bau eines CO2-armen Hauses beruht auf Daten

Das weltweite Baugewerbe erlebt einen beispiellosen Wachstumsschub mit einem Anstieg der CO2-Emissionen, der die globalen Klimaziele gefährdet. Genaue Emissionsdaten über die verwendeten Baumaterialien könnten den Sektor auf einen grüneren Weg bringen.

Nach Angaben der Vereinten Nationen wird sich die Gesamtzahl der Gebäude auf der Welt in den nächsten 40 Jahren verdoppeln: von 235 Milliarden Quadratmetern Nutzfläche im Jahr 2016 auf 465 Milliarden im Jahr 2060.
Dieser massive Bauboom beunruhigt die Experten. Dem IPCC zufolge dürfen wir nur noch 400 Gigatonnen CO2 ausstoßen, bevor das CO2-Budget für das 1,5°C-Ziel überschritten wird. Bei den derzeitigen Baupraktiken wird der Bau neuer Gebäude bis 2060 jedoch schon etwa 1/3 dieses Budgets verbrauchen - 118 Gigatonnen CO2 allein an gebundenem Kohlenstoff.
Ein wichtiger Faktor, um dieses Problem zu lösen, sind nach Ansicht von Branchenexperten zuverlässigere Daten über die Emissionen unserer Baumaterialien:
„Wir werden in den kommenden Jahren mehr Forderungen sehen, die CO2-Belastung durch die Bauten zu dokumentieren, was damit beginnt, dass wir genauere Daten von den Baustoffherstellern erhalten müssen“, sagt Søren Brøndum, Geschäftsführer für den Bereich Gebäude bei Ramboll.
„Als erstes müssen wir uns die Baumaterialien mit der größten CO2-Belastung ansehen. Selbst bei einem sehr großen Projekt mit Tausenden verschiedener Materialien sind es vielleicht nur 50 Materialien - Zement, Stahl und Glas zu allererst -, die 90 bis 95% der gesamten CO2-Belastung ausmachen.“
Aber ohne genaue Daten verlassen sich die Designer auf generische CO2-Schätzwerte. Dies könnte den Wandel verlangsamen, auch wenn ein vor kurzem von Ramboll im Auftrag von drei Branchenverbänden verfasster Bericht (auf Dänisch) gezeigt hat, dass die Verwendung der jeweils klassenbesten Materialien den CO2-Ausstoß von Neubauten um bis zu 30% senken könnte.
Einen Mauerstein nicht nach seinem Verputz beurteilen
Bei der Planung neuer Gebäude achten die Architekten und Designer darauf, wie viel CO2 bei der Herstellung der diversen Materialien - von Ziegeln über Zement bis hin zu Stahlgerüsten - ausgestoßen wird.
Doch dazu stehen ihnen oft nur generische Daten zur Verfügung, d.h. die Emissionskosten sind Schätzungen aus einer Online-Datenbank wie z.B. der deutschen von Ökobau.
Doch in der Praxis variieren die Emissionskosten, z. B. eines Mauersteins, dramatisch je nach Hersteller, Art der verwendeten Rohstoffe, Transport und je nachdem, ob er mit fossilen Brennstoffen oder erneuerbaren Energien hergestellt wurde.

Es besteht hoher Bedarf an mehr Daten in Form von EPDs, aber wir brauchen auch neue Materialien mit geringerer CO2-Belastung wie Brettsperrholz. Mehr Daten reichen nicht, wir müssen auch bei den verwendeten Materialien innovativer sein

SØREN BRØNDUM
GESCHÄFTSFÜHRER FÜR GEBÄUDE, RAMBOLL

Eine bessere Option ist es, Materialien zu wählen, bei denen die genaue CO2-Belastung in einer Umweltproduktdeklaration (EPD) vorgerechnet ist. Eine solche EPD kostet zwischen sieben- und zehntausend Euro, und diese Kosten sind natürlich ein Hindernis. Das könnte sich mit neuen finanziellen Anreizen für die Hersteller schnell ändern.
„Hersteller, die nachweisen können, dass ihre Produkte nachhaltiger sind, haben einen großen Wettbewerbsvorteil“, sagt Lars Riemann, leitender Direktor für Gebäude bei Ramboll.
„Vergleichen wir einmal eine Fabrik in Polen, die auf Kohlestrom läuft, und eine ähnliche in Norwegen, die Wasserkraft nutzt. Beide stellen Armierstahl her, aber die Emissionen der polnischen Fabrik sind doppelt so hoch wie die ihrer norwegischen Konkurrenz. Wenn der Preis vergleichbar ist, hat der norwegische Hersteller eine viel stärkere Position“, erklärt er.
Politische Maßnahmen zur Begrenzung des gebundenen CO2
Dieser Trend wird durch neue Vorschriften zur Verringerung der Emissionen in der Bauindustrie vorangetrieben.
Ein von der dänischen Regierung kürzlich verabschiedetes Gesetz legt eine harte Obergrenze für den gebundenen Kohlenstoff von Neubauten fest, und andere europäische Länder haben Ähnliches getan. Und die Europäische Union erwägt ein Gesetz, das die Verfolgung der CO2-Emissionen verbindlich vorschreibt.
Diese Baustoffpyramide zeigt den relativen CO2-Fußabdruck verschiedener Baumaterialien unter Verwendung von EDP aus Skandinavien. Einige Baumaterialien, wie z.B. Brettsperrholz, haben einen negativen Fußabdruck, da beim Wachstum der verwendeten Bäume CO2 gebunden wird. Eine interaktive Version ist online verfügbar unter https://materialepyramiden.dk/. (Quelle: The Royal Danish Academy)
„Ab dem Inkrafttreten dieser neuen Bauvorschriften müssen alle Planer innerhalb eines bestimmten Emissionsbudgets agieren und den CO2-Fußabdruck aller Materialien verfolgen. Anfangs dürfte es nicht allzu schwierig sein, das Budget einzuhalten, aber da die Obergrenze kontinuierlich gesenkt wird, werden die Designer immer mehr Anreize erhalten, CO2-arme Materialien einzusetzen“, erklärt Lars Riemann.
Die Kreislaufwirtschaft ist die nächste Grenze
Erwartungsgemäß wird sich der Trend zu datengestützten Gebäuden durchsetzen und weltweit verbreiten, vor allem, da auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Vorschriften wie die EU-Taxonomie zu einer wichtigen Triebkraft in der Branche werden.
„Die nächsten großen Themen werden wahrscheinlich Ressourcenmanagement, Kreislaufwirtschaft und Recycling sein“, erklärt Søren Brøndum. „Nach der neuen EU-Taxonomie müssen Neubauten zu 30 % aus recycelten Materialien bestehen, um als Beitrag zum grünen Wandel in der EU zu gelten. Das treibt die Industrie weiter in Richtung Dokumentation ihrer CO2-Bilanz.“
„Es besteht hoher Bedarf an mehr Daten in Form von EPDs, aber wir brauchen auch neue Materialien mit geringerer CO2-Belastung wie Brettsperrholz. Mehr Daten reichen nicht, wir müssen auch bei den verwendeten Materialien innovativer sein,“ sagt Søren Brøndum.
Zum Kontaktieren des Herausgebers dieses Artikels senden Sie bitte eine E-Mail an Anders Brønd Christensen.

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