Evelina Gunnarsson, Peter Önnby, Frida Lindqvist
19. Oktober 2022
Warum Erkenntnisse aus Verhaltensanalysen der neue beste Freund der Kreislaufwirtschaft sind
Die Umgewöhnung der Verbraucher:innen ist ein entscheidender Faktor für Kreislaufwirtschaftsmodelle. Millionen von Menschen zu erreichen ist der Schlüssel dafür, dass sie Produkte wiederverwenden, reparieren, zurückbringen und empfehlen. In diesem Artikel erklären unsere Expert:innen, warum Kreislaufwirtschaft und Verhaltensanalysen ein gutes Team sind.
Seit der industriellen Revolution wird in der Wirtschaft das lineare Prinzip „Entnehmen-Herstellen-Wegwerfen“ verfolgt. Doch es ist an der Zeit, dass wir die Art und Weise, wie wir Waren herstellen und verbrauchen, grundlegend überdenken. Teil der Lösung könnte der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft sein, die nach dem Prinzip „Entnehmen, Herstellen, Reduzieren und Wiederverwenden“ funktioniert. Aber wie bei allen Veränderungen müssen wir den menschlichen Faktor berücksichtigen.
Es mag Unternehmen und Regierungen gelingen, beispielsweise die Dekarbonisierung in bestimmten Bereichen allein durch Innovationen oder Regulierung voranzutreiben, aber die Nachhaltigkeitseffekte einer Kreislaufwirtschaft sind komplett davon abhängig, wie sich die Menschen – die Verbraucher:innen – verhalten.
Kreislaufwirtschaftliche Geschäftsmodelle werden keinen Erfolg haben ohne ein an Besessenheit grenzendes Interesse an dem, was Verbraucher:innen brauchen, tun, nicht tun und all den Dingen, die zu „kreislaufwirtschaftlichem Verhalten“ motivieren und es beeinflussen. Derartige verhaltensanalytische Erkenntnisse – Lehren aus der Verhaltensökonomie und Psychologie – sind wertvoll für Unternehmen, die ihre kreislaufwirtschaftlichen Geschäftsmodelle weiterentwickeln oder auch erst aufbauen möchten. Betrachten Sie verhaltensanalytische Erkenntnisse als den neuen besten Freund der Kreislaufwirtschaft.
Aber warum überhaupt Kreislaufwirtschaft? Laut Weltwirtschaftsforum stellt die Kreislaufwirtschaft bis 2030 eine Geschäftsmöglichkeit im Wert von 4,5 Millionen US-Dollar dar. Und man könnte sagen: Wenn ein Unternehmen nicht kreislaufwirtschaftlich arbeitet, dann ist es nicht vollständig nachhaltig.
Der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft ist eines von sechs Umweltzielen der EU-Taxonomie, und die Offenlegung aller Ziele wird ab dem Geschäftsjahr 2022 obligatorisch für alle Unternehmen sein, die unter die Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung (Non-Financial Reporting Directive, NFRD) fallen, das heißt Großunternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Mitarbeitenden.
In einem früheren Artikel hat Ramboll fünf Gründe aufgezählt, warum es für Unternehmen am besten ist, sich aktiv an die Taxonomie anzupassen. Neben der Taxonomie wird die künftige Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD), die auch für KMU obligatorisch sein wird, einen Berichtsstandard zu Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft enthalten. Der Übergang zur Kreislaufwirtschaft kann eine Chance zur Wertschöpfung und anschließenden Wertmitnahme bieten. Dennoch sind die meisten Unternehmen nach wie vor linear aufgestellt und halten an Wertschöpfungsketten fest, die Werte verschenken.
Um zu vermeiden, das Kodak der 2020er Jahre zu werden, weil man die Anpassung an ein sich veränderndes Umfeld versäumt, müssen Unternehmen gewährleisten, dass sie über das richtige Instrumentarium verfügen, um diesen Übergang zu bewerkstelligen. Zu diesem Instrumentarium gehören Erkenntnisse aus der Verhaltensanalyse.
„Derartige Verhaltensanalysen – Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie und Psychologie – sind wertvoll für Unternehmen, die ihre kreislaufwirtschaftlichen Geschäftsmodelle weiterentwickeln oder auch erst aufbauen möchten. Betrachten Sie verhaltensanalytische Erkenntnisse als den neuen besten Freund der Kreislaufwirtschaft.“
Die Motivation zu einer Nachhaltigkeitswende bei den Verbraucher:innen ist hoch. Ein Nachhaltigkeitsbericht aus dem Jahr 2021, der 12 Märkte in Europa abdeckte, brachte ans Licht, dass 92 % der Menschen ein nachhaltiges Leben führen wollen, aber nur 16 % ihr Verhalten aktiv ändern. Daraus folgt, dass ihre starke Motivation nicht mit ihrer Realität übereinstimmt. Häufige Barrieren, die diese Kluft zwischen Absicht und Handeln offen halten, sind Kosten, Unannehmlichkeiten oder Schwierigkeiten, nachhaltigere Optionen zu finden.
Beispiele für kreislaufwirtschaftliches Konsumverhalten sind die Reparatur von Produkten oder das Mieten neuer Produkte statt eines Kaufs. Eine Studie ergab, dass 77 % der Europäer:innen defekte Produkte gern reparieren lassen würden – aber 45 % fragen beim Kauf nicht nach Reparaturmöglichkeiten. Ähnlich beim Mieten: 25 % der Europäer:innen sind bereit, bestimmte elektronische Erzeugnisse zu mieten, aber nur 1 % hat es schon einmal getan.
Erkenntnisse aus der Verhaltensanalyse können dazu beitragen, die Kluft zwischen Absicht und Handeln zu überbrücken und kreislaufwirtschaftliche Geschäftsmodelle zu ermöglichen.
Im Geschäft geht es darum, Probleme der Verbraucher:innen zu lösen, ihre Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen und damit Mehrwert zu schaffen. Unternehmen können finanzielle Vorteile erzielen, wenn sie nachhaltigen Konsum ermöglichen, indem sie kreislauffähige Produkte und Dienstleistungen anbieten und so den Verbraucher:innen helfen, die Kluft zwischen ihren guten Absichten und ihrem Handeln zu überbrücken.
Um dies zu erreichen, müssen sich die Unternehmen ein genaueres Bild vom Verbraucherverhalten verschaffen und kreislaufwirtschaftliche Geschäftsmodelle entwickeln, die von den Verbraucher:innen angenommen werden. Verhaltensanalytische Erkenntnisse sind Lehren aus Bereichen wie Verhaltensökonomie und Psychologie, was sie zu wertvollen Hilfsmitteln auf diesem Weg macht. Erkenntnisse dieser Art lenken die Aufmerksamkeit auf das, was für das Verhalten verantwortlich ist, das man beeinflussen möchte – was einem hilft zu verstehen, was man tun kann, um etwas zu verändern oder zu optimieren.
Jahrzehntelange Forschung und empirische Tests haben gezeigt, dass das Verhalten von Menschen erstaunlich oft von systematischen Vorurteilen beeinflusst wird, die uns daran hindern können, unsere Absichten in tatsächliches Verhalten zu übertragen. Zum Beispiel haben Verbraucher:innen vielleicht eine falsche Vorstellung von dem Aufwand, der notwendig ist, um ein defektes Gerät reparieren zu lassen. Das ist einer der Gründe, warum Verbraucher:innen Hilfe benötigen, um ihre Konsumgewohnheiten bei einem Übergang vom linearen zum Kreislaufkonsum zu verändern.
Das „Recht auf Reparatur“ ist ein Paradebeispiel dafür, wie supranationale und nationale Gremien mit neuen Gesetzen und Verordnungen versuchen, eine Veränderung herbeizuführen. Aber kleine Anstöße und die geschickte Nutzung verhaltensanalytischer Erkenntnisse könnten ebenfalls eine Rolle spielen – sogar eine substanzielle, wenn dies in großem Umfang geschieht. Schauen wir uns das an einem Beispiel an:
Eine Studie des Nordischen Rats ergab, dass der Einsatz von Erkenntnissen aus der Verhaltensanalyse potenziell großen Einfluss auf Nachhaltigkeit beim Verbrauch von Mobiltelefonen bei jungen Menschen haben könnte. Wenn man in einem Experiment die Reparatur eines Produkts zur Standardoption machte (ein klassischer „Anstoß“), dann entschieden sich 87 % der jungen Verbraucher:innen für die Reparatur statt für den Kauf neuer Telefone, verglichen mit 67 % in der Kontrollgruppe.
Das macht deutlich, dass kleine Veränderungen bei den Wahlmöglichkeiten erhebliche Auswirkungen auf das Verbraucherverhalten haben können. Erkenntnisse dieser Art sind wertvoll bei der Entwicklung und Umsetzung kreislaufwirtschaftlicher Geschäftsmodelle.
„Unternehmen können finanzielle Vorteile erzielen, wenn sie nachhaltigen Konsum möglich machen, indem sie kreislauffähige Produkte und Dienstleistungen anbieten und Verbraucher:innen helfen, die Kluft zwischen ihren guten Absichten und ihrem Handeln zu überbrücken.“
Auch wenn Kreislaufwirtschaft, kreislaufwirtschaftliche Geschäftsmodelle und verhaltensanalytische Erkenntnisse jeweils für sich genommen große Themen sind, gibt es in der frühen Phase von Produktentwicklung und Kommunikationsstrategien noch einige Aspekte zu bedenken:
- Reparieren einfacher machen: Verbraucher:innen lassen ein Produkt vielleicht nicht reparieren, wenn sie glauben, dass die Entscheidung hierfür mehr Aufwand verursacht, als wenn sie das Produkt einfach austauschen. Die Entscheidung kann leichter gemacht werden, indem Produkte entwickelt werden, bei denen Bauteile leicht durch die Verbraucher:innen ausgetauscht werden können, oder indem der Verpackung Reparaturanleitungen für kleinere Defekte beigefügt werden.
- Mehrwegprodukte und Rücknahmesysteme fördern: Ein Café oder ein Restaurant könnte wiederverwendbare Tassen oder Essensbehälter anbieten, verbunden mit einer Gutschrift, die Kund:innen erhalten, wenn sie die Tasse in die Filiale zurückbringen. So könnte man auch bei der Ausgestaltung von Rücknahmesystemen vorgehen, bei denen Produkte am Ende ihrer Lebensdauer an die Lieferfirma zurückgegeben werden sollen.
- Soziale Normen als Werkzeuge zur Änderung von Wahrnehmungen verwenden: Kommunizieren Sie gegenüber Verbraucher:innen, dass andere Verbraucher:innen oder Menschen, die sie als Vorbilder betrachten, Kreislaufkonsum betreiben. Soziale Normen können Verhaltensweisen beeinflussen oder Sichtweisen verändern. Zum Beispiel können soziale Normen die Ansicht, dass Second-Hand-Produkte von geringerer Qualität sind, dahingehend ändern, dass sie als genauso hochwertig wie neue Produkte wahrgenommen werden.
- Bieten Sie Informationen zum richtigen Zeitpunkt an: Um Verhaltensänderungen herbeizuführen, müssen Informationen zum richtigen Zeitpunkt fließen, nämlich dann, wenn Verbraucher:innen vor einer Entscheidung stehen. Zum Beispiel könnte eine Lieferfirma ihre B2B-Kund:innen anhand von Nutzerdaten zum richtigen Zeitpunkt per E-Mail dazu aufrufen, ihre Maschinen warten zu lassen, um deren Lebensdauer zu verlängern.
Ganz gleich, welchen Ansatz Sie wählen: Sorgen Sie für einen Test- und Lernprozess. Sowohl bezüglich der Prototypen als auch bezüglich der Kommunikation. Derzeit sind die Unternehmen besessen von „Big Data“, aber achten Sie in diesen Fällen auch auf „Small Data“. Das heißt auf die kleinen Nuggets in Form von Erkenntnissen aus der Beobachtung von Nutzungen oder der genauen Untersuchung von Nutzungsbarrieren in der Realität. Dies dürfte für einen Energieschub für weitere Tests und Verbesserungen sorgen. Was lustigerweise zu einem iterativen Prozess bzw. Kreislaufprozess in Ihrem Unternehmen führt...
Nachhaltigkeitsbewussten Verbraucher:innen zu helfen, ihre Absichten in die Tat umzusetzen, kann Vertrauen schaffen und die Loyalität gegenüber einer Marke steigern. Wir nutzen verhaltensanalytische Erkenntnisse, um Unternehmen dabei zu helfen, das Verhalten ihrer Kund:innen zu verstehen und es zugunsten von Kund:innen und Unternehmen zu beeinflussen. Sprechen Sie uns an, wenn Sie mehr über unsere Dienstleistungen in diesem Bereich erfahren möchten.
Parajuly, Keshav & Fitzpatrick, Colin & Muldoon, Orla & Kuehr, Ruediger. (2020). Behavioural change for the circular economy: A review with focus on electronic waste management in the EU and European Sustainability Reporting standard E5 for resource use and circular economy
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