Julia Romero
6. Mai 2024
Aufbruchstimmung beim zweiten Ramboll Sustainability Forum Wasserstoff
Am vergangenen 6. Mai kamen rund 100 Stakeholder, Kunden und Medienvertreter:innen am Ramboll Hauptsitz in Hamburg zusammen, um sich intensiv über die Marktentwicklungen, politischen Rahmenbedingungen, Transportwege und wirtschaftlichen Potenziale von grünem Wasserstoff auszutauschen.
Unsicherheiten abbauen - Umsetzung beschleunigen
Wasserstoff ist ausschlaggebend für eine nachhaltigere Industrie und Gesellschaft, ein klimaneutrales Stromsystem ohne Wasserstoff ist nicht denkbar. Seinen flexiblen Einsatzmöglichkeiten in Industrie und Mobilität, als Grundstoff für Derivate wie Ammoniak und Methanol sowie als Speicher für erneuerbaren Strom machen ihn zu einer Schlüsseltechnologie für die Energiewende. Ein Wasserstoff-Kernnetz für Deutschland soll ab dem Jahr 2032 große Verbrauchs- und Erzeugungsregionen für Wasserstoff in Deutschland miteinander verbinden. Dieses Netz soll Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit in Einklang bringen. Doch bis wir grünen Wasserstoff überall verfügbar haben und dort einsetzen können, wo es Sinn macht und er zur De-fossilisierung gebraucht wird, müssen Interessen von Erzeugern, Abnehmern, und nicht zuletzt Investoren in Einklang gebracht werden.
Unter Anderem wurden folgende Fragen beleuchtet:
- Welche aktuellen Elektrolyseprojekte laufen bereits und was macht sie so erfolgreich?
- Was gibt Investoren mehr Sicherheit, in die grüne Technologie zu investieren?
- Wie kommt der Wasserstoff auch zu Abnehmern, zum Beispiel den mittelständischen Unternehmen, die fernab des Kernnetzes liegen?
Hannes Reuter, Managing Director Ramboll Energy, eröffnete das Forum mit den Ergebnissen einer Civey Umfrage, die im Auftrag von Ramboll unter 200 Branchenexperten aus der Energiebranche durchgeführt wurde. Die Umfrage zielte auf die Kernfragen zu Anwendungspotenzialen, Herausforderungen bei der Hochlaufphase und Optionen für Transport sowie Verteilung von Wasserstoff ab. Die Ergebnisse gaben ein Stimmungsbild der Branche wieder, wurden von den Anwesenden mit großem Interesse aufgenommen und gerne auch in den anschließenden Diskussionen aufgegriffen.
Blick in die Praxis – Was sind Erfolgsfaktoren in der Produktion?
Im ersten Panel wurden konkrete bereits laufende Wasserstoffelektrolyse-Projekte thematisiert, darunter der kommunale 20 MW Gemeinschaftselektrolyseur in Hamm, der bereits Ende 2026 in Betrieb gehen soll. Laut Thomas Bexten, stellvertretender Projektleiter für H2HAMM beim Projektentwickler Trianel GmbH, besteht bereits eine Fördermittelzusage des Landes NRW von 17,5 Mio. für die CAPEX Kosten, in Kürze werden die Genehmigungen eingereicht.
Auch in Moorburg ist laut Holger Matthiesen, Managing Director bei Luxcara, einem großen Asset Manager für erneuerbare Energien, der Rückbau des bestehenden Kohlekraftwerks bereits im Gange und wird Platz schaffen, für den geplanten 100 MW Elektrolyseur am HGHH. Grundsätzlich sehe er eine große Bereitschaft von Investoren bezüglich grünen Wasserstoffs, Anleger sind optimistisch. Um in ein Projekt zu investieren, seinen für die meisten Geldgeber jedoch drei Kriterien ausschlaggebend: sichere Abnahmegarantien, Genehmigungsfähigkeit und reputable Zulieferer. Auf Nachfrage von Kirsten Schürmer, Community Manager beim EEHH, versicherte er, dass wir in den kommenden 12 Monaten einen Anstieg bei den Abnahmeverträgen sehen werden. Für ihn ein sehr positives Signal. Auf die Frage aus dem Publikum, wie denn grüner Wasserstoff aus Deutschland wettbewerbsfähig sein könne, antwortete Hr Matthies, dass es hier zwei ausschlaggebende Faktoren gäbe: Günstiger grüner Strom und finanzielle Förderung der Technologie. Länder, sie also günstig erneuerbaren Strom in großen Mengen erzeugen können, seien klar im Vorteil.
Einen Einblick seitens der Abnehmer von Wasserstoff gab Christian Seyfert vom Verband der industriellen Energie- und Kraftwirtschaft. Er begrüßte das Wasserstoffbeschleunigungsgesetz und wies noch einmal ausdrücklich daraus hin, dass der Wille in der Industrie zu einer „De-Fossilisierung“ der Energie da ist, er jedoch noch einigen Handlungsbedarf sieht. Lücken in der Regulatorik beispielsweise sorgten für Unsicherheit bei Investitionen in die neue Technologie. Zudem sei eine deutsche Wasserstoffimportstrategie überfällig. Seiner Meinung nach muss eine Infrastruktur für Wasserstoff zugleich auch die CCU/CCS - Technologie und Wärmenetze berücksichtigen. Auch die Vereinfachung und Verkürzung der Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie der Vergabeverfahren seien Schritte in die richtige Richtung. Der Verband begrüße alle Maßnahmen, die darauf abzielen, Investitionen in den Bereich Wasserstoff zu fördern, den Ausbau der Infrastruktur zu beschleunigen und damit Planungssicherheit für die Unternehmen zu schaffen, die in Zukunft auf den grünen Energieträger angewiesen sein werden.
Panelistin Kerstin Gemmer-Bergbilek, Senior Chief Engineer im Geschäftsbereich Energy Transition bei Ramboll zeigte noch einmal eindringlich auf, wo wir derzeit stehen. Bis 2030 brauchen wir 10 GW Elektrolyseleistung in Deutschland, bis 2023 waren allerdings erst 1 %, also 0,1 GW umgesetzt. Das Thema Wasserstoff sei komplex: Es sei eine neue Technologie, es bestünde noch viel Skepsis, auch auf operativer Ebene. Ihrer Meinung nach sei es wichtig, sich frühzeitig auf eine Elektrolyse-Technologie festzulegen und das Vorhaben dann schnell voranzutreiben, indem man besonders auch lokale Stakeholder involviert. Je mehr erfolgreich umgesetzt Projekte wir haben, desto schneller wird es voran gehen, da wir aus jedem Projekt wertvolle Lehren ziehen können.
Die wichtigsten drei Take-aways aus dieser ersten spannenden Diskussion:
- Erfolgsfaktoren für Elektrolyseprojekte sind: Die frühzeitige Einbindung aller involvierten (lokalen) Stakeholder,
- Pragmatische Genehmigungsverfahren
- Investitionssicherheit
- Frühe Festlegung auf eine Elektrolysetechnologie
Wie kommt der grüne Wasserstoff dort an, wo er gebraucht wird?
Nach einer kurzen kreativen Pause setzt sich das zweite Panel mit der Distribution und dem Transport von Wasserstoff auseinander. Joschka Knuth, schleswig-holsteinischer Staatssekretär für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur, skizzierte die notwendigen politischen Rahmenbedingungen für eine Wasserstoff-Transportinfrastruktur. Durch seine besondere geographische Lage, komme dem Land Schleswig-Holstein beim Ausbau des H2-Kernnetzes eine besondere Bedeutung zu. Seiner Meinung nach muss es hier im Norden beginnen, wo viel und günstiger grüner Strom verfügbar ist – derzeit 9 GW Onshore Windstrom. Brunsbüttel könne als wichtige Energiedrehscheibe dienen für den Import, die dortigen LNG-Terminals sind zum großen Teil H2-ready.
Er sprach sich für einen pragmatischen Ansatz aus, ohne Überregulierung. Damit eine stabile Versorgung gewährleistet werden kann, sei es wichtig, sicherzustellen, dass Elektrolysestandorte strategisch geplant werden.
„Für den Hochlauf der Wasserstoffelektrolyse braucht es jetzt schnell die richtigen Marktbedingungen. Es braucht insbesondere Anreize für eine systemdienliche Verortung der Elektrolyseure.“
Dr. Gabriel Clemens, CEO von Green Gas E.ON betonte, dass viele Unternehmen aus dem Mittelstand auf grünen Wasserstoff angewiesen sein werden und man nicht nur auf die großen Abnehmer schauen darf, die in der Nähe des geplanten Kernnetzes liegen. Er plädierte für eine integrative Planung des Netzes, dass sowohl die Verteilung von Strom, Erdgas, als auch Wasserstoff kombiniert.
Hanna Kurpiers von Ramboll Deutschland konnte hier mit ihrer Expertise aus aktuellen Kundenprojekten einhaken. Sie ergänzte die Diskussion durch Darlegung von praktikablen Wegen des Transports auch ohne eine Pipeline-Infrastruktur. Für eine effiziente „Hinterlandlogistik“ müsse man die Logistikkette „von hinten“ denken, Rahmenbedingungen und Anforderungen des Kunden im Auge behalten. Die Distribution grüner Moleküle ist dabei auch als Kostenfaktor nicht zu vernachlässigen. Weitere Herausforderungen stellten aktuell noch fehlende Transportkapazitäten für grüne Moleküle dar.
„Wir stehen vor der Herausforderung, einen Wandel der gesamten Logistikkette im High-Speed Tempo realisieren zu müssen. Um das im angestrebten Zeitrahmen zu schaffen, müssen wir noch eine Schippe drauflegen."
Detlev Woesten, CTO von H&R sowie CEO von P2X- Europe, erläuterte aus der Sicht der Abnehmer, was es braucht, um grünen Wasserstoff als klimafreundlichen Energieträger nahtlos in die Unternehmensprozesse integrieren zu können.
Die wichtigsten Take-aways aus den angeregten Diskussionen dieses zweiten Panels:
- Deutschland ist ein Industrieland, der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft und muss somit Zugang bekommen zu grünen Wasserstoff – intelligente Netze sind hier unabdingbar
- Für eine effiziente „Hinterlandlogistik“ müssen wir die Logistikkette neu denken und innovative Wege beschreiten
- Den grünen Wasserstoff dorthin zu bringen, wo er gebraucht wird, wird auch ein nicht zu vernachlässigender Kostenfaktor sein
In einem waren sich alle Diskutanten einig: Grüner Wasserstoff bietet riesige Chancen, er herrscht weiterhin viel Optimismus in der Branche. Doch das Thema ist weitaus komplexer ist, als es auf den ersten Blick erscheint, der grüne Energieträger wird nicht alle Probleme lösen können – und es braucht zu Beginn finanzielle Anreize.
Wichtig ist es, im Gespräch zu bleiben, aus den bisherigen Erfahrungen zu lernen, und mutig neue Wege zu beschreiten – auch wenn wir nicht alle Unsicherheiten aus dem Weg räumen können.
Im Anschluss an die regen Diskussionen, auch unter Einbindung des Publikums, gab es Gelegenheit, zum weiteren bilateralen Austausch auf unserer Dachterrasse mit Blick über Hamburg. Es herrschte eine ausgelassene Atmosphäre – und wir alle freuen uns schon auf das nächste Mal!