Jens Riis, Patrick Moloney

9. Dezember 2021

Warum Anleger:innen in nicht börsennotierte Vermögenswerte die EU-Taxonomie beachten sollten

Die EU-Taxonomie hat bereits erhebliche Auswirkungen auf die Kapitalallokation vieler Anleger:innen und die Bewertung von Investitionen gehabt und dies wird sich weiter verstärken. Doch welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Anleger:innen in nicht börsennotierte Vermögenswerte und wie können sie bei der Nachhaltigkeitsleistung vorne bleiben? Lesen Sie weiter, um Antworten darauf zu erhalten.

Five wind turbines, in the Scottish Borders, on a hill looking north on a sunny day.
Von Jens Riis
Die EU-Taxonomie ist das neue Instrument für mehr Nachhaltigkeit im Finanzdienstleistungssektor. In Anbetracht der zunehmenden Aufmerksamkeit von Vermögenseigentümer:innen auf die Nachhaltigkeit unter dem Strich sowie der verschärften aufsichtsrechtlichen Bestimmungen im Rahmen des EU-Aktionsplans für nachhaltige Finanzen und der damit einhergehenden Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzprodukte (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR, ist es von entscheidender Bedeutung, die Auswirkungen von Investitionen auf die Nachhaltigkeit zu quantifizieren und zu vermarkten, um Mehrwert zu erzielen.
Daher stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die EU-Taxonomie haben wird und wie Investor:innen in nicht börsennotierte Vermögenswerte weiterhin Vorreiter bei der Nachhaltigkeitsleistung sein können. Dieser Artikel versucht, diese Fragen zu beantworten, wobei der Schwerpunkt ausdrücklich auf den Auswirkungen und Möglichkeiten für private Beteiligungen und Infrastrukturfonds liegt.
ESG und EU-Taxonomie als Werttreiber
ESG wird zunehmend als Werttreiber für private Aktien betrachtet, wenn es darum geht, mögliche Akquisitionsziele zu bewerten und neue Strategien während der Eigentümerschaft zu implementieren, häufig mittels spezifischer Nachhaltigkeitsprogramme.
Dieser Trend ist größtenteils auf die veränderten Marktanforderungen und den zunehmenden Wunsch von Vermögenseigentümer:innen nach nachhaltigen Investitionen zurückzuführen, so dass Private-Equity-Unternehmen das Nachhaltigkeitsprofil ihrer Portfolio-Gesellschaften (PC) verbessern müssen.
Kein standardisiertes Ermessungsverfahren
Kombiniert man diesen Trend mit den Anforderungen der SFDR zur Berücksichtigung der wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit (Principal Adverse Impacts, PAI), so konzentrieren sich Private Equities stärker auf die Schaffung nachhaltiger Werte und machen die ESG-Due-Diligence zu einem integralen Bestandteil des Ziel-Screenings im Vorfeld von Transaktionen.
Trotz der Vielfalt an Nachhaltigkeitsrahmen auf dem Markt (SASB, GRI, SBTi usw.) gibt es weder eine standardisierte Methode für private Kapitalgesellschaften zur Messung der Nachhaltigkeitsleistung ihrer diversen Vermögenswerte, noch für Vermögensinhaber:innen zur Bewertung der Nachhaltigkeitsleistung privater Kapitalanlagen.
Mit der Einführung der EU-Taxonomie und der Berichterstattungspflicht im Rahmen der SFDR wird die tatsächliche Leistung in Bezug auf die Klima- und Umweltziele jetzt jedoch zu einem greifbaren KPI.
Eine Hohe Taxonomie-Konformität wird die Bewertung erhöhen
Vermögenseigentümer:innen, die, wie die Reduktionsziele der NZAOA-Mitglieder zeigen, ihr Kapital zunehmend auf Klima- und Umweltziele ausrichten, werden daher über messbare und standardisierte Möglichkeiten verfügen, die Performance von Privataktien und zugrunde liegenden PCs zu bewerten.
Es ist daher zu erwarten, dass die Bewertung der Unternehmen mit einer hohen Taxonomie-Ausrichtung zunehmen wird, da die Marktnachfrage nach ihren Produkten und Dienstleistungen größer sein wird, aber auch, weil Investor:innen ihr Kapital zunehmend in solche Unternehmen lenken. Der Zusammenhang zwischen Vermögenseigentümer:innen, Private Equities und Portfoliounternehmen wird im Folgenden ersichtlich.

Asset owner demands for Taxonomy-alignment

Der Abwärtsdruck von Vermögenseigentümer:innen auf Private Equities hat Auswirkungen auf die aktuelle und künftige Fondsstrategie und folglich auf die Größe des Investitionsraums, da neue Kriterien für Investitionen in Klima- und Umweltziele wahrscheinlich zu einer Anforderung der Vermögenseigentümer:innen werden. Die Fondsstrategie und die EU-Taxonomie werden im Folgenden näher erläutert.
Integration der EU-Taxonomie in die Fondsstrategie und -performance
Der SFDR hat ausgeglichene Bedingungen für die Integration der Nachhaltigkeit in die Fondsstrategie, die Kapitalallokation und die Verfolgung der Nachhaltigkeitsleistung geschaffen. Nun müssen Anleger:innen und zugrunde liegende Fonds, die die wichtigsten negativen Auswirkungen berücksichtigen, die Nachhaltigkeitserklärungen und das Marketing ihrer Fonds nach den vordefinierten Fondsmerkmalen gemäß Artikel 6, 8 oder 9 der SFDR, klassifizieren.
Der bereits erwähnte Druck von Vermögenseigentümer:innen in Bezug auf die Nachhaltigkeit wird unserer Ansicht nach dazu führen, dass private Aktiengesellschaften Fonds entweder nach Art. 8 oder 9 auflegen und letztlich die bestehenden Fondsrahmen aktualisieren müssen. Auf diese Weise wird die Nachfrage der Anleger:innen durch eine verstärkte Kapitalallokation zugunsten von Klima- und Umweltzielen befriedigt, und werden die daraus resultierenden Auswirkungen durch die Berichterstattung über die Angleichung der Taxonomie dokumentiert. Im folgenden Abschnitt werden die SFDR-Produktklassifikationen erläutert.

SFDR-Klassifizierung

  • :

    Artikel 6

    Ein Finanzprodukt, bei dem Nachhaltigkeitsrisiken in die Anlageentscheidungen einbezogen werden.
  • :

    Artikel 8

    Ein Finanzprodukt, das ökologische und / oder soziale Merkmale fördert.
  • :

    Artikel 9

    Ein Finanzprodukt, das nachhaltige Investitionen zum Ziel hat und anhand von KPIs gemessen wird.
Für Finanzmarktteilnehmer:innen, die in börsennotierte Vermögenswerte investieren, wird der Zugang zu Taxonomiedaten und damit zu Informationen zur Portfolioausrichtung über diverse Datenanbieter möglich sein.
Es besteht daher keine unmittelbare Notwendigkeit für Investor:innen, sich mit den Unternehmen, in die sie investieren, über die Notwendigkeit einer an die Taxonomie angepassten Berichterstattung für die Zwecke der SFDR Art. 8 und 9 auseinanderzusetzen (siehe Berichtsanforderungen weiter unten in diesem Artikel). Damit Privatunternehmen jedoch ihre Nachhaltigkeitsprogramme vermarkten und einen Mehrwert daraus ziehen können, müssen sie die Taxonomie integrieren. So tragen sie zu einer effektiven Investorenkommunikation und Bewertung der Portfoliounternehmen bei.
Ein Überdenken der Strategien ist erforderlich
Die Integration der Taxonomie in Nachhaltigkeitsprogramme bedeutet, dass die Strategien überarbeitet werden müssen, wobei die Investitionsausgaben zu berücksichtigen sind, und dass eine an die Taxonomie angepasste Berichterstattung erfolgen muss. Die Struktur einer Berichterstattung über die Taxonomie-Anpassung für ein Finanzprodukt wird im Folgenden skizziert.

Portfolio Taxonomy-alignment

Insbesondere für Investitionen in Branchen mit schwierigen Rahmenbedingungen (Schwerindustrie; Zement, Stahl und Chemie sowie Schwertransport; Bus-und LKW-Verkehr, Schiff- und Luftfahrt) wird die Taxonomie eine zentrale Rolle bei der Entscheidung spielen, ob nachhaltige Fondsstrategien gemäß Art. 8 oder 9 umgesetzt werden.
Berücksichtigung der Entwicklungs- und Ausführungskosten
Bei Investitionen in Branchen, die einen großen Einfluss auf den Klimawandel haben, sollten Investor:innen die Kosten für die Entwicklung und Umsetzung eines Klimaschutzplans berücksichtigen, der es dem Unternehmen leichter macht, der Marktnachfrage nach nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen nachzukommen. Nach Ablauf der typischen 5-Jahres-Periode, in der sich ein Unternehmen in Private-Equity-Besitz befindet, wird sich die Umsetzung eines Klimaschutzplans in den an der Taxonomie ausgerichteten Investitionsausgaben widerspiegeln und als Beleg für die Umsetzung der Strategie dienen.
Unserer Ansicht nach wird dies nicht nur den Anteil der an der Taxonomie ausgerichteten nachhaltigen Fondsstrategien der Anleger:innen erhöhen, sondern angesichts des steigenden Wettbewerbs um die Zuweisung von Kapital für Klima- und Umweltziele auch zu einer höheren Bewertung beitragen. Nachstehend finden Sie ein Beispiel für die Meldepflichten für Produkte gemäß Art. 8 und 9 nach den neuesten ESMA-Leitlinien
Das öffentliche Beschaffungswesen sucht nach Aktivitäten und Unternehmen, die die Taxonomie erfüllen
Wir gehen davon aus, dass im öffentlichen Beschaffungswesen zunehmend Produkte und Dienstleistungen beschafft werden, die zu den Klima- und Umweltzielen beitragen. Dies geht eindeutig aus dem Konjunkturprogramm der EU zur Erholung von COVID-19 hervor. Darin werden 30 % des 806,9-Milliarden-Euro-Pakets für solche Ziele eingesetzt. Für Unternehmen, die Zugang zu ähnlichen Mitteln für Projekte erhalten möchten, insbesondere in Übergangstechnologien und schwer veränderbaren Branchen, wird die Fähigkeit von Vorteil sein, ihre Übereinstimmung mit der Taxonomie nachzuweisen und zu dokumentieren, und wird dies wahrscheinlich ein Kriterium für künftige Anträge werden.
Außerdem erwarten wir, dass bei der Einreichung von Geboten für Infrastrukturprojekte (Offshore-Windkraft, Brücken, Straßen usw.) die Ausrichtung an der Taxonomie ein wichtiger Parameter für den endgültige Zuschlag sein wird, da damit gezeigt wird, dass die tatsächlichen Nachhaltigkeitsauswirkungen des jeweiligen Projekts in Bezug auf Klima- und soziale Ziele berücksichtigt werden
Die Regierungen tragen zum wirtschaftlichen Nutzen der Taxonomie-Anpassung bei, indem sie sie in das öffentliche Beschaffungswesen und die Gebotsbewertung integrieren und sicherstellen, dass so die nationalen Ziele der CO2-Reduzierung und die damit verknüpften Ziele für die Kreislaufwirtschaft und die biologische Vielfalt realisiert werden.
Zusammenfassend
Die EU-Taxonomie und der SFDR verändern grundlegend die Rahmenbedingungen für die Art der Investition von privatem und öffentlichem Kapital und die Bemessung seiner Nachhaltigkeitsauswirkungen. Daher ist es wichtig, dass Investor:innen auf der EU-Taxonomie basierende Nachhaltigkeitsüberlegungen in ihre Fondsstrategie, Nachhaltigkeitsprogramme für PCs und Ausschreibungsunterlagen für große Infrastrukturprojekte integrieren, da dies unserer Ansicht nach die Rendite und die Wahrscheinlichkeit des Zuschlags bei öffentlichen Ausschreibungen erhöhen wird.

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